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Vertretung in Luxemburg
Presseartikel23. März 2022Vertretung in LuxembourgLesedauer: 7 Min

Staatliche Beihilfen: Kommission nimmt Befristeten Krisenrahmen zur Stützung der Wirtschaft infolge der Invasion der Ukraine durch Russland an

EU-Ukrainian flag

Die Europäische Kommission hat heute einen Befristeten Krisenrahmen angenommen, der die Mitgliedstaaten in die Lage versetzt, den in den Beihilfevorschriften vorgesehenen Spielraum zu nutzen, um die Wirtschaft infolge der Invasion der Ukraine durch Russland zu stützen.

Die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission, Margrethe Vestager, erklärte dazu:

„Die Europäische Union steht in dieser kritischen Situation an der Seite der Ukraine und des ukrainischen Volkes. Wir müssen dieser grausamen Invasion entgegentreten, denn es geht um unsere Freiheit.

Die von der EU und ihren internationalen Partnern verhängten Sanktionen haben große Auswirkungen auf die russische Wirtschaft.

Aber sie belasten auch die EU-Wirtschaft und werden dies auch in den kommenden Monaten tun. Wir müssen die wirtschaftlichen Auswirkungen dieses Krieges abfedern und stark betroffene Unternehmen und Branchen unterstützen. Und wir müssen koordiniert vorgehen.

Die Kommission wird es deshalb den Mitgliedstaaten ermöglichen, den in den Beihilfevorschriften gebotenen Spielraum zu nutzen, um diese beispiellosen Herausforderungen unter Wahrung gleicher Wettbewerbsbedingungen anzugehen.

Der Befristete Krisenrahmen ergänzt das bestehende Instrumentarium für staatliche Beihilfen um viele andere Möglichkeiten, die den Mitgliedstaaten bereits zur Verfügung stehen, wie z. B. Maßnahmen zur Entschädigung von Unternehmen für unmittelbar durch außergewöhnliche Umstände erlittene Schäden und Maßnahmen, die in den Mitteilungen der Kommission über die Entwicklung des Energiemarkts aufgezeigt sind.

Der neue Rahmen bietet den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, i) Unternehmen, die von der derzeitigen Krise oder den deshalb verhängten Sanktionen und Gegensanktionen betroffen sind, begrenzte Beihilfen zu gewähren, ii) dafür zu sorgen, dass den Unternehmen weiterhin ausreichende Liquidität zur Verfügung steht, und iii) Unternehmen für die Mehrkosten zu entschädigen, die ihnen aufgrund außergewöhnlich hoher Gas- und Strompreise entstehen.

Diese Arten von Maßnahmen werden auch Unternehmen in Schwierigkeiten offenstehen, da sie aufgrund der derzeitigen Umstände nach der COVID-19-Pandemie unter Umständen einen akuten Liquiditätsbedarf verzeichnen. Diese Maßnahmen gelten nicht für von Russland kontrollierte Unternehmen, die mit Sanktionen belegt wurden.

Ein Beispiel: Wenn Mitgliedstaaten die Auswirkungen des drastischen Anstiegs der Betriebsmittelkosten so gering wie möglich halten wollen, können sie unverzüglich Regelungen einführen, um von der Krise betroffenen Unternehmen jeweils bis zu 400 000 EUR zu gewähren. Die Kommission ist bereit, unverzüglich gemeinsam mit den Mitgliedstaaten praktikable Lösungen zu erarbeiten, die diesen wichtigen Teil unserer Wirtschaft schützen, und dabei die in den Beihilfevorschriften gebotenen Spielräume ganz auszuschöpfen.

Um gleiche Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt zu wahren, enthält der neue Befristete Krisenrahmen eine Reihe von Vorkehrungen. Die Mitgliedstaaten werden zudem aufgefordert, Nachhaltigkeitskriterien für die Gewährung von Beihilfen für die Energiemehrkosten infolge der hohen Gas- und Strompreise aufzunehmen.

Die Kommission wird die Lage weiterhin beobachten und Regierungen sowie Bürgerinnen und Bürgern die erforderliche Unterstützung gewähren.“

Hintergrund

In dem auf Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gestützten „Befristeten Krisenrahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft infolge der Aggression Russlands gegen die Ukraine“ wird anerkannt, dass das Wirtschaftsleben der gesamten EU beträchtlich gestört ist. Zur Behebung dieser Störung können nach dem Befristeten Krisenrahmen drei Arten von Beihilfen gewährt werden:

  • Begrenzte Beihilfebeträge: Die Mitgliedstaaten werden Regelungen auflegen können, mit denen sie von der Krise betroffene Unternehmen, die in Landwirtschaft, Fischerei oder Aquakultur tätig sind, Beihilfen von bis zu 35 000 EUR je Unternehmen gewähren können. Betroffene Unternehmen aus anderen Wirtschaftszweigen können jeweils bis zu 400 000 EUR erhalten. Diese Beihilfen müssen nicht als Ausgleich für einen Anstieg der Energiepreise konzipiert sein, da die Krise und die restriktiven Maßnahmen gegen Russland die Wirtschaft in vielfältiger Weise treffen, unter anderem durch Störungen der physischen Lieferketten. Diese Unterstützung kann in jeder Form, einschließlich direkter Zuschüsse, gewährt werden.
  • Liquiditätshilfe in Form von staatlichen Garantien und zinsvergünstigten Darlehen: Die Mitgliedstaaten werden vergünstigte staatliche Garantien und zinsvergünstigte öffentliche und private Darlehen bereitstellen können. Mit den staatlichen Garantien soll sichergestellt werden, dass die Banken weiterhin Darlehen an alle von der derzeitigen Krise betroffenen Unternehmen vergeben.
    • Die Mitgliedstaaten können für Bankdarlehen von Unternehmen staatliche Garantien gewähren oder Garantieregelungen einführen. Die Garantieprämien für neue Darlehen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und Nicht-KMU werden durch die Senkung des geschätzten Marktsatzes für Jahresprämien vergünstigt.
    • Die Mitgliedstaaten können zinsvergünstigte öffentliche und private Darlehen an Unternehmen ermöglichen. Diese Darlehen müssten zu einem Zinssatz gewährt werden, der mindestens dem risikofreien Basiszinssatz zuzüglich der für KMU und Nicht-KMU jeweils anwendbaren Kreditrisikomarge entspricht.

Für beide Beihilfearten gelten Obergrenzen für den Darlehenshöchstbetrag in Abhängigkeit von den betrieblichen Erfordernissen des jeweiligen Unternehmens, wobei der Umsatz, die Energiekosten oder der besondere Liquiditätsbedarf zu berücksichtigen sind. Die Darlehen dürfen sowohl für Investitions- als auch Betriebsmittelbedarf gewährt werden.

  • Beihilfen zum Ausgleich erhöhter Energiepreise: Die Mitgliedstaaten werden in der Lage sein, Unternehmen, insbesondere energieintensive Unternehmen, teilweise für Mehrkosten zu entschädigen, die ihnen aufgrund außergewöhnlich hoher Gas- und Strompreise entstehen. Diese Unterstützung kann in jeder Form, einschließlich direkter Zuschüsse, gewährt werden. Die Gesamtbeihilfe je Empfänger darf sich zu keinem Zeitpunkt auf mehr als 30 % der beihilfefähigen Kosten oder mehr als 2 Mio. EUR belaufen. Wenn dem Unternehmen Betriebsverluste entstehen, können weitere Beihilfen erforderlich sein, um die Aufrechterhaltung der betreffenden wirtschaftlichen Tätigkeit zu gewährleisten. Zu diesem Zweck können die Mitgliedstaaten Beihilfen gewähren, die diese Obergrenzen übersteigen, und zwar bis zu 25 Mio. EUR für energieintensive Unternehmen und bis zu 50 Mio. EUR für Unternehmen, die in bestimmten Wirtschaftszweigen wie der Erzeugung von Aluminium und anderen Metallen, Glasfasern, Zellstoff, Düngemitteln oder Wasserstoff und vielen Grundchemikalien tätig sind.

Der Befristete Krisenrahmen wird zur gezielten Unterstützung der Wirtschaft beitragen und gleichzeitig Beeinträchtigungen der fairen Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt begrenzen.

Daher enthält er eine Reihe entsprechender Vorkehrungen.

  • Proportionale Methodik: Es muss ein Zusammenhang bestehen zwischen dem Beihilfebetrag, der dem betreffenden Unternehmen gewährt werden kann, und dem Umfang seiner wirtschaftlichen Tätigkeit sowie dem Maß, in dem es von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise betroffen ist, wobei der Umsatz und die Energiekosten des Unternehmens zu berücksichtigen sind.
  • Beihilfevoraussetzungen: Der Begriff „energieintensiver Betrieb“ wird im Einklang mit Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe a der Energiebesteuerungsrichtlinie definiert als Unternehmen, dessen Energiebeschaffungskosten sich auf mindestens 3 % seines Produktionswertes belaufen.
  • Nachhaltigkeitskriterien: Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert zu erwägen, für die Gewährung von Beihilfen zur Entschädigung für Mehrkosten aufgrund außergewöhnlich hoher Gas- und Strompreise in nichtdiskriminierender Weise Anforderungen in Bezug auf den Umweltschutz oder die Versorgungssicherheit festzulegen. Die Beihilfen dürften den Unternehmen daher dabei helfen, die derzeitige Krise zu überstehen, und gleichzeitig den Grundstein für eine nachhaltige Erholung legen.

Der Befristete Krisenrahmen gilt bis zum 31. Dezember 2022. Um für Rechtssicherheit zu sorgen, wird die Kommission vor Ablauf dieser Frist prüfen, ob eine Verlängerung erforderlich ist. Darüber hinaus wird die Kommission während der Geltungsdauer des Rahmens dessen Inhalt und Anwendungsbereich vor dem Hintergrund der Entwicklungen auf den Energie- und anderen Inputmärkten sowie der allgemeinen Wirtschaftslage fortlaufend überprüfen.

Der heute angenommene Befristete Krisenrahmen ergänzt die umfangreichen Möglichkeiten der Mitgliedstaaten, Maßnahmen im Einklang mit den geltenden EU-Beihilfevorschriften zu konzipieren. Zum Beispiel können die Mitgliedstaaten auf der Grundlage der EU-Beihilfevorschriften Unternehmen unterstützen, die mit Liquiditätsengpässen zu kämpfen haben und dringend Rettungsbeihilfen benötigen. Darüber hinaus können die Mitgliedstaaten Unternehmen auf der Grundlage des Artikels 107 Absatz 2 Buchstabe b AEUV Entschädigungen für Verluste gewähren, die ihnen direkt durch ein außergewöhnliches Ereignis – wie die aktuelle Krise – entstanden sind.

Auch auf die weltweite Finanzkrise hatte die Kommission im Jahr 2008 bereits mit der Annahme eines Vorübergehenden Gemeinschaftsrahmens reagiert.

Und am 19. März 2020 nahm die Kommission einen Befristeten Rahmen vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie an. Der Befristete COVID-19-Rahmen wurde am 3. April, 8. Mai, 29. Juni und 13. Oktober 2020 sowie am 28. Januar und 18. November 2021 geändert.

Weitere Informationen

Mitteilung der Kommission – Befristeter Krisenrahmen zur Stützung der Wirtschaft infolge der Invasion der Ukraine durch Russland

 

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
23. März 2022
Autor
Vertretung in Luxembourg