Zum Hauptinhalt
Vertretung in Luxemburg
Presseartikel16. März 2023Vertretung in LuxembourgLesedauer: 10 Min

Die Wettbewerbsfähigkeit der EU nach 2030: ein Ausblick zum 30-jährigen Bestehen des Binnenmarkts

30 Years Single Market

Die Kommission hat heute zwei Mitteilungen anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Binnenmarkts veröffentlicht, in denen sie darlegt, wie sich die Wettbewerbsfähigkeit der EU langfristig sichern lässt.

Der Binnenmarkt ist zweifellos der gesellschaftliche und wirtschaftliche Motor der EU. Damit er auch in Zukunft der wichtigste Trumpf für die Wettbewerbsfähigkeit der EU bleibt, muss er noch mehr integriert werden. Auch gilt es, weitere Hindernisse abzubauen, besonders im Dienstleistungssektor. Denn im aktuellen geopolitischen Kontext stehen für die EU der Erfolg des grünen und digitalen Wandels und die Attraktivität des Unternehmensstandorts Europa auf dem Spiel.

In der langfristigen Betrachtung der Wettbewerbsfähigkeit wird aufgezeigt, wie die EU auf ihren Stärken aufbauen und mehr erreichen kann, als nur die Wachstums- und Innovationslücke zu schließen. Durch einen zukunftsorientierten, genau definierten und koordinierten EU-Rahmen werden florierende Unternehmen gefördert, die sich auf dem Weltmarkt behaupten können, weil sie attraktive Arbeitsplätze bieten und globale Standards setzen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte dazu: „Europa ist mit einem Krieg vor seiner Haustür, mit enorm schwankenden Energiepreisen und weltweit massiven Investitionen in saubere Technologien konfrontiert, deshalb müssen wir einen Gang zulegen. Der Binnenmarkt ist unser größtes Kapital. Er bedeutet Wohlstand für unsere Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen, aber er hilft uns auch dabei, Krisen wie die Pandemie, den Klimawandel oder den wirtschaftlichen Schaden von Russlands Krieg gegen die Ukraine zu überstehen. Wir können stolz auf ihn sein, und wir müssen unser Möglichstes tun, um seine Stärke zu erhalten und auszubauen. Wir müssen auch dafür sorgen, dass die rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen den Bedürfnissen der Unternehmen gerecht werden. In Zukunft werden wir uns an einer Reihe zentraler Leistungsindikatoren orientieren, an denen sich ablesen lässt, ob die europäische Wirtschaft wirklich produktiver und wettbewerbsfähiger wird. Denn nur was messbar ist, wird auch erledigt.“

30 JAHRE BINNENMARKT

Unser Binnenmarkt ist viel mehr als ein Rechtsrahmen – und auch mehr als nur ein Markt. Er ist ein Raum der Freiheit, des Fortschritts, der Chancen, des Wachstums, des gemeinsamen Wohlstands und der Resilienz, und er stellt eine geopolitische Projektionsfläche dar. Mit 440 Millionen Bürgerinnen und Bürgern, 23 Millionen Unternehmen und 15 % des weltweiten BIP ist er der weltweit größte integrierte Markt, der sich nach wie vor stärker als andere nach außen orientiert.

Der Binnenmarkt ist das größte Kapital und der wichtigste Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit der EU. Seit über 30 Jahren hat er das Leben der Bürgerinnen und Bürger verbessert, den Unternehmen ihre Tätigkeit erleichtert und erheblichen ökonomischen Nutzen gebracht, indem er das europäische BIP um 9 % gesteigert hat. Zudem begleitet er den ökologischen und digitalen Wandel in Europa und sorgt für dessen Gelingen. Er ist der Auslöser für die Integration der EU in regulatorischer und finanzieller Hinsicht und in Bezug auf die Lieferkette, die Skaleneffekte generiert und Unternehmenswachstum erleichtert. Der Binnenmarkt ist ein wichtiger Aspekt der wirtschaftlichen Resilienz Europas in Krisenzeiten und stellt einen entscheidenden geopolitischen Hebel dar, der die Position und den Einfluss der EU in der Welt stärkt.

Er muss sich jedoch auch fortwährend an neue Gegebenheiten anpassen und dem Wandel des geopolitischen Umfelds, den technologischen Entwicklungen, dem ökologischen und dem digitalen Wandel und der nötigen Steigerung von Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität der EU auf lange Sicht gerecht werden.

Ausgehend von einer gemeinsamen Verantwortung für den Binnenmarkt sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene bedarf es auch einer gemeinsamen Anstrengung, um ihn weiter zu erhalten und zu vertiefen und sein gesamtes Potenzial zu erschließen.

Künftig wird ein neuer Fokus auf folgende Aspekte zu legen sein:

  • Durchsetzung bestehender Binnenmarktvorschriften, gestützt auf Benchmarks, um die Defizite bei der Umsetzung und Durchführung der EU-Vorschriften zu beseitigen;
  • Beseitigung der Hemmnisse in den Mitgliedstaaten – insbesondere der Hindernisse für die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen – und in den industriellen Ökosystemen mit dem größten Potenzial für wirtschaftliche Integration (Einzelhandel, Hoch- und Tiefbau, Tourismus, Unternehmensdienstleistungen und erneuerbare Energien). 

Dazu wird die Kommission die wichtige Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten in der Taskforce für die Durchsetzung der Binnenmarktvorschriften (SMET) und in anderen Foren für einen strukturierten Austausch mit Interessenträgern aus der Wirtschaft fortsetzen. Die Kommission schlägt zudem vor, als Benchmark festzulegen, dass mindestens 90 % der Fälle, mit denen die nationalen SOLVIT-Stellen befasst werden, innerhalb von 12 Monaten gelöst werden sollen. Die Kommission will außerdem die Pflicht der Mitgliedstaaten zur Notifizierung nationaler Vorschriften vereinfachen und nationale Binnenmarktbehörden einrichten lassen; beides gehört zu einer ganzen Reihe von Maßnahmen, mit denen Hindernisse im Binnenmarkt abgebaut und verhindert werden sollen. 

Darüber hinaus müssen wir weiterhin die grüne und die digitale Dimension des Binnenmarkts ausbauen, denn sie ist die Grundlage für Innovation, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit. Mit dem Binnenmarktkonzept etwa kann die EU ihre Spitzenposition bei sauberen Technologien sichern und ihren Wettbewerbsvorteil bei der Dekarbonisierung erhalten. Zu diesem Zweck führt die Kommission einheitliche EU-Vorschriften ein, welche die Unternehmen beim Übergang zur Kreislaufwirtschaft unterstützen (z. B. Ökodesign-Vorschriften für nachhaltige Produkte, Produktpass-Initiative), die erneuerbaren Energien besser in das Energiesystem integrieren (z. B. neue Vorschriften für die Gestaltung des Strommarkts) und die Chancen der Digitalisierung optimal ausschöpfen sollen (z. B. aufbauend auf den Verordnungen über digitale Dienste und über digitale Märkte und durch Schaffung neuer Datenräume für die Gesundheit und das öffentliche Auftragswesen).

Die Kommission wird die Fortschritte des Binnenmarkts nach wie vor mithilfe von Instrumenten wie dem Binnenmarkt- und Wettbewerbsfähigkeitsanzeiger sowie dem jährlichen Binnenmarktbericht beobachten. Durch einen kontinuierlichen Dialog- und Reflektionsprozess unter Einbeziehung der Mitgliedstaaten und maßgeblichen Interessenträger wird sichergestellt, dass sich der Binnenmarkt weiterhin bewährt und seinen Bürgerinnen und Bürgern ein besseres Leben ermöglicht.

STEIGERUNG DER LANGFRISTIGEN WETTBEWERBSFÄHIGKEIT

Das europäische Modell des Wirtschaftswachstums auf der Grundlage nachhaltiger Wettbewerbsfähigkeit, wirtschaftlicher Sicherheit, offener strategischer Autonomie und fairen Wettbewerbs war in den letzten Jahrzehnten ein Garant des Wohlstands. Durch entschiedenes gemeinsames Handeln auf EU-Ebene konnten wir bisher die Wirtschaftstätigkeit und die Produktivität ankurbeln und so werden wir auch langfristig Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand wieder steigern können.

Zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit schlägt die Kommission vor, den Fokus auf neun sich gegenseitig verstärkende Faktoren zu legen:

  • Einen funktionierenden Binnenmarkt durch dessen Erweiterung und Vertiefung sowie eine stärkere Integration des Dienstleistungssektors
  • Zugang zu Privatkapital und privaten Investitionen durch Vertiefung der Kapitalmarktunion und Vollendung der Bankenunion, einhergehend mit der Entwicklung eines EU-Rechtsrahmens für Steuer- und Finanzdienstleistungen zur Unterstützung von Unternehmen
  • Öffentliche Investitionen und Infrastruktur durch Reform des europäischen Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung
  • Forschung und Innovation durch steuerliche Anreize, öffentlich-private Partnerschaften und Großprojekte zur Verringerung des mit Innovationen verbundenen Investitionsrisikos, insbesondere in den Schlüsselbereichen saubere Technologien, Digitales und Biotechnologie
  • Energie durch den schnellen Ausbau erneuerbarer Energien, die Digitalisierung von Energiesystemen und Energiespeicheranlagen
  • Kreislaufprinzip durch Förderung des Übergangs zu einer stärker kreislauforientierten Wirtschaft in der EU
  • Digitalisierung durch Einführung digitaler Instrumente auf breiter Front in der gesamten Wirtschaft und stärkere Unterstützung der Führungsrolle bei digitalen Schlüsseltechnologien wie künstliche Intelligenz, Quanteninformatik, Mikroelektronik, Web 4.0, virtuelle Realität und digitale Zwillinge sowie Cybersicherheit
  • Bildung und Kompetenzen durch Entwicklung und Anerkennung von Kompetenzen als Schlüssel zu attraktiven und hochwertigen Arbeitsplätzen, Steigerung der Erwerbsbeteiligung von Frauen, jungen Menschen und Drittstaatsangehörigen sowie Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung
  • Handel und offene strategische Autonomie mittels einer fortgesetzten Erschließung von Märkten für EU-Unternehmen durch Vertiefung der Beziehungen zu Verbündeten und Handelspartnern, Wahrung der Grundsätze des fairen Handels und gezielte Behandlung von Risiken.

Mithilfe zentraler Leistungsindikatoren können die Fortschritte bei der Erreichung der Ziele gemessen und die notwendige politische Ausrichtung und Reaktionsfähigkeit gewährleistet werden.

Ein Rechtsrahmen, der das Wachstum fördert

Ihre Arbeit an diesen neun Faktoren wird die Kommission mit einem zweiten Handlungsstrang flankieren, indem sie den Rechtsrahmen stärker auf die Erfordernisse von Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum ausrichten will. Dies wird auch eine Methode zur Bewertung der Gesamtfolgen politischer Maßnahmen und ein innovationsfreundlicheres Regulierungskonzept umfassen, die den One-in-one-out-Grundsatz und den Check-up der Wettbewerbsfähigkeit ergänzen werden. Insbesondere wird eine Rationalisierung der Berichtspflichten in den EU-Rechtsvorschriften in den Bereichen Umwelt, Digitales und Wirtschaft angestrebt, wobei erste Vorschläge für eine Verringerung des Verwaltungsaufwands um 25 % schon bis zum Herbst vorliegen sollen. Die Kommission wird die EU-Rechtsvorschriften auch weiterhin regelmäßig dahin gehend bewerten, ob sie zukunftsfähig und zweckmäßig sind, und die Mitgliedstaaten bei der fristgerechten und ordnungsgemäßen Umsetzung des EU-Rechts unterstützen.

Hintergrund

Im Dezember 2022 ersuchte der Europäische Rat die Kommission, Anfang 2023 Vorschläge vorzulegen, um die Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit der EU dadurch zu sichern, dass alle einschlägigen nationalen und EU-Instrumente mobilisiert und die Rahmenbedingungen für Investitionen verbessert werden.

Um dem nachzukommen, legte die Kommission am 1. Februar als Erstes den europäischen Industrieplan für den Grünen Deal vor. Im Mittelpunkt der heute veröffentlichten Vorschläge steht zum einen die Schaffung eines günstigeren Umfelds für den Ausbau der Produktionskapazitäten der EU für Netto-Null-Technologien und -Produkte und zum anderen die Bereitstellung der kritischen Rohstoffe, die für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas im Zuge des Wandels zu einer klimaneutralen Wirtschaft von entscheidender Bedeutung sein werden.

Diese Mitteilung ergänzt den Industrieplan für den Grünen Deal durch einen langfristigen und umfassenden Ansatz für die Wettbewerbsfähigkeit der EU, denn wir stehen an einem Wendepunkt, an dem sowohl die Unternehmen als auch die politischen Entscheidungsträger gemeinsam die richtigen Impulse für die Entwicklung Europas im kommenden Jahrzehnt und darüber hinaus geben müssen.

Weitere Informationen

Mitteilung: 30 Jahre Binnenmarkt

Langfristiger Ausblick auf die Wettbewerbsfähigkeit

Fragen und Antworten

Factsheet zum 30-jährigen Bestehen des Binnenmarkts

Factsheet zur langfristigen Strategie der EU für Wettbewerbsfähigkeit

Zitate

Europa ist mit einem Krieg vor seiner Haustür, mit enorm schwankenden Energiepreisen und weltweit massiven Investitionen in saubere Technologien konfrontiert, sodass wir einen Gang zulegen müssen. Der Binnenmarkt ist unser größtes Kapital. Er bedeutet Wohlstand für unsere Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen, aber er hilft uns auch dabei, Krisen wie die Pandemie, den Klimawandel oder den wirtschaftlichen Schaden von Russlands Krieg gegen die Ukraine zu überstehen. Wir können stolz auf ihn sein, und wir müssen unser Möglichstes tun, um seine Stärke zu erhalten und auszubauen. Wir müssen auch dafür sorgen, dass die rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen den Bedürfnissen der Unternehmen gerecht werden. In Zukunft werden wir uns an einer Reihe zentraler Leistungsindikatoren orientieren, an denen sich ablesen lässt, ob die europäische Wirtschaft wirklich produktiver und wettbewerbsfähiger wird. Denn nur was messbar ist, wird auch erledigt.

Präsidentin Ursula von der Leyen - 16/03/2023

 

Der Binnenmarkt ist das Rückgrat der europäischen Wirtschaft und eine Quelle unseres wirtschaftlichen Wohlstands, auf die wir nicht verzichten können. Aber nur in einem vertieften, nahtlosen, starken und gut funktionierenden Binnenmarkt können wir langfristig Wachstum und Produktivität sichern und die Umwelt schonen. Dies ist der Schlüssel für unsere künftige Wettbewerbsfähigkeit.

Margrethe Vestager, Exekutiv-Vizepräsidentin, zuständig für das Ressort „Ein Europa für das digitale Zeitalter“ - 16/03/2023

 

Europa hat große Krisen überstanden. Jetzt gilt es zu erkennen, was wir ändern müssen, um unsere Wettbewerbsstärke langfristig – über 2030 hinaus – zu erhalten. Dies bedeutet, dass wir die schon lange bestehenden Herausforderungen in Bezug auf Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit angehen müssen. Wir haben erkannt, auf welche zentralen Felder wir uns konzentrieren müssen: von Investitionen und Finanzierungen über einen offenen Handel bis hin zu den Kompetenzen, einhergehend mit einer intelligenteren Regulierung. Dies ist nicht nur wichtig, um künftig hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen und Wachstum zu generieren, sondern auch, um die Chancen voll zu nutzen, die uns der ökologische und digitale Wandel bietet. Im Grunde geht es um unsere Führungsposition in den grünen Industrien der Zukunft.

Exekutiv-Vizepräsident Valdis Dombrovskis‚ zuständig für das Ressort „Eine Wirtschaft im Dienste der Menschen“ - 16/03/2023

 

Der Binnenmarkt ist viel mehr als nur eine Freihandelszone – er ist ein Raum der Freiheit, des Wohlstands und der Resilienz für alle. Und wir arbeiten hart dafür, dass es mindestens weitere 30 Jahre lang so bleibt!

Kommissar Thierry Breton, zuständig für den Binnenmarkt - 16/03/2023

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
16. März 2023
Autor
Vertretung in Luxembourg