Lieber Wolodymyr,
vielen Dank, dass meine Kollegen und ich heute hier in Kyjiw sein dürfen. Zehn Jahre sind seit dem Angriff Russlands auf die Souveränität der Ukraine vergangen und auf den Tag genau zwei Jahre seit Russlands brutaler Invasion der Ukraine. Heute gedenken wir eines traurigen Jahrestages. Aber es ist auch eine Gelegenheit, die außerordentliche Widerstandskraft des ukrainischen Volkes anzuerkennen. Angefangen beim Heldenmut und der Tapferkeit der ukrainischen Soldaten, die dem Angreifer die Stirn bieten bis hin zu millionenfachen kleinen Heldentaten, die die Bürgerinnen und Bürger alltäglich zur Unterstützung der Kriegsanstrengungen leisten. Von Bauern, die mit ihren Traktoren russische Panzer stehlen bis zum „Geist von Kyjiw“, der den Himmel über der Hauptstadt sichert. Von der Verteidigung der Schlangeninsel bis zum Untergang der Moskwa. Die Ukrainerinnen und Ukrainer haben der Welt gezeigt, was Mut bedeutet und dass sie für die Freiheit kämpfen. Sie haben die Hälfte des von Russland besetzten Territoriums wiedererlangt und den Angreifer auf das Schwarze Meer zurückgedrängt. Dies sind bemerkenswerte Erfolge und wir zollen dem ukrainischen Volk unsere Anerkennung dafür. Dem Volk, das für die Sicherheit unseres gesamten Kontinents kämpft. Aus diesem Grund steht die gesamte Europäischen Union hinter der Ukraine. Und wir stehen mehr denn je eng an der Seite der Ukraine, finanziell, wirtschaftlich, militärisch und vor allem moralisch, bis das Land endlich wieder frei ist.
Ich möchte insbesondere vier Punkte hervorheben. Erstens verfügen wir nun über unsere Ukraine-Fazilität in Höhe von 50 Milliarden EUR. Dies kommt zu den 88 Milliarden EUR hinzu, die wir seit Kriegsbeginn geleistet haben. Die erste Zahlung in Höhe von 4,5 Milliarden EUR wird im März ausgezahlt. Anschließend werden wir über die kommenden vier Jahre kontinuierlich Unterstützung leisten. Damit soll der Ukraine-Plan für Reformen und Investitionen gestützt werden. Zudem bieten wir der Ukraine unter anderem durch die Solidaritätskorridore zusätzliche Einnahmequellen. Mithilfe dieser Korridore konnte bislang ein Handelsvolumen in Höhe von 125 Milliarden EUR zwischen der Ukraine, der Europäischen Union und dem Rest der Welt generiert werden. Wir sind auf bestem Wege, unsere besonderen Handelsmaßnahmen um ein weiteres Jahr zu verlängern und gleichzeitig die Stabilität unseres Binnenmarktes zu gewährleisten. Und wir haben uns bereit erklärt, die Erträge aus immobilisierten russischen Vermögenswerten für die spätere Verwendung zur Seite zu legen. Dies ist ein wichtiger Schritt nach vorn, den wir auch dem belgischen Ratsvorsitz zu verdanken haben, vielen Dank, Alexander. Denn wir sind entschlossen, Russland für seinen Zerstörungskrieg bezahlen zu lassen.
Damit komme ich zu meinem zweiten Punkt, unseren harten Sanktionen gegen Russland. Vor zwei Jahren noch war die Europäische Union Russlands wichtigster Handelspartner. Seitdem sind die Gesamteinfuhren aus Russland in die Europäischen Union um mehr als 100 Milliarden EUR zurückgegangen. Unsere Ausfuhren nach Russland wurden um mehr als 50 Milliarden EUR gekürzt. Russland wurde der Zugang zu westlichen fortgeschrittenen Technologien, Innovationen und Investitionen verwehrt. Gerade diese Woche haben wir mit unserem 13. Sanktionspaket unsere Sanktionen verdoppelt, indem mehr als 160 weitere Militärunternehmen und in einem großen Rundumschlag weitere Propagandisten Putins, Kriminelle, die Kinder zwangsdeportieren und kremlnahe Unternehmen auf die Sanktionsliste gesetzt wurden. Unsere Sanktionsliste umfasst nunmehr insgesamt 2000 Einträge. Wir werden auch weiterhin hohen Druck auf Putin und sein Regime ausüben. Parallel dazu werden wir durch Strafanzeigen für diejenigen, die unsere Sanktionen umgehen wollen, die Schrauben noch fester anziehen.
Da Russland seine böswilligen Attacken gegen die Ukraine weiter intensiviert – und das ist mein dritter Punkt – werden wir unsere militärische Unterstützung verdoppeln. Wir haben bereits militärische Unterstützung in Höhe von 28 Milliarden EUR geleistet. Zurzeit arbeiten wir an der Einrichtung des Unterstützungsfonds für die Ukraine. Damit werden weitere 5 Milliarden EUR für die gemeinsame Beschaffung der benötigten Waffen auf europäischer Ebene bereitgestellt. Gleichzeitig legt die europäische Verteidigungsindustrie an Tempo zu und erhöht ihre Produktionskapazität für die Herstellung von Munition um 40 %. Bislang haben wir bereits über eine halbe Million Schusseinheiten geliefert. Und wir werden bis Ende des Jahres mehr als eine Million erreicht haben. Schließlich schulen wir die mutigen ukrainischen Streitkräfte, im Sommer werden es 60 000 Soldaten sein, die eine Schulung durchlaufen haben.
Mit Blick auf die Zukunft muss die Ukraine über die Mittel verfügen, sich heute zu verteidigen. Aber auch morgen muss die Ukraine in der Lage sein, künftige Angriffe Russlands abzuwehren. Dies ist für die Sicherheit der Ukraine, aber natürlich auch für die Sicherheit ganz Europas von entscheidender Bedeutung. Daher wollen wir die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine als Teil unserer eigenen Verteidigungsfähigkeit stärken. Deshalb haben wir die Ukraine so eng in unsere neue Strategie für die industrielle Basis der europäischen Verteidigung einbezogen. In drei Wochen werden wir diese Strategie vorlegen. Dies ist ein erster Schritt zur Integration der Ukraine in unsere europäischen Verteidigungsprogramme. Gleichzeitig lernen wir von der Ukraine und ihren Erfahrungen auf dem Schlachtfeld. Um diesen Erfahrungsaustausch zu intensivieren, werden wir hier in Kyjiw ein Innovationsbüro für den Verteidigungsbereich einrichten. Schließlich arbeiten wir, wie wir gerade gehört haben, in enger Zusammenarbeit mit den G7-Partnern weiterhin an Sicherheitszusagen für die Ukraine. Natürlich ist die Mitgliedschaft in der Europäischen Union die beste Sicherheitsgarantie.
Damit komme ich zu meinem vierten Punkt, dem Weg der Ukraine zum EU-Beitritt. Wir haben den Screening-Prozess mit einem sehr arbeitsintensiven Sitzungskalender eingeleitet. Ich ermutige die Ukraine – und ich weiß, dass dies beherzigt wird – die Empfehlungen der Kommission auch weiterhin umzusetzen. Die Europäische Kommission wird den Verhandlungsrahmen Mitte März vorlegen.
Lieber Wolodymyr,
unser heutiger Besuch unterstreicht unsere unerschütterliche Solidarität mit der Ukraine – heute, morgen und in Zukunft. Die Ukraine ist zu einem weltweiten Symbol des Wiederstands in diesem ehrenhaften Kampf um Freiheit geworden.
Und wir stehen weiterhin an ihrer Seite.
Slava Ukraini.
Einzelheiten
- Datum der Veröffentlichung
- 24. Februar 2024
- Autor
- Vertretung in Luxembourg