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Vertretung in Luxemburg
Rede11. März 2022Vertretung in LuxembourgLesedauer: 3 Min

Europäischen Gedenktag für die Opfer des Terrorismus

Participation of Ursula von der Leyen, President of the European Commission, in the Ceremony of the European Day of Remembrance for Victims of Terrorism

"Es gilt das gesprochene Wort!"

Sehr geehrter Herr Präsident Macron,

Sehr geehrter Herr Präsident Michel,

liebe Familien und Freunde, die Sie heute hier zusammengekommen sind, um Ihrer Lieben zu gedenken.

In der deutschen Stadt Hanau, wo vor zwei Jahren bei einem Terroranschlag neun Menschen ums Leben kamen, heißt es auf einer Wandtafel: „Say their names“. Nennt sie beim Namen. Wir sind heute hier zusammengekommen, um jedes einzelne Opfer des Terrorismus beim Namen zu nennen. Wir erinnern heute an ihre Geschichte und ihr zu früh erloschenes Leben. Da es in diesem Rahmen nicht möglich ist, alle Opfer zu nennen, möchte ich zumindest drei von ihnen nennen: Sonia, Misha und Nesar.

Sonia Cano Campos war 24 Jahre alt, Spanierin und tanzte gern. Sonia arbeitete in einem Seniorenheim. Sie kümmerte sich besonders um die Einsamen. Um die, die nie Besuch von ihren Kindern oder Enkeln bekamen. Sonia tanzte mit ihnen, um ihnen Lebensfreude zu spenden. Am Morgen des 11. März 2004 war sie auf dem Weg zur Arbeit. Sie hatte sich bereiterklärt, für einen Kollegen eine Zusatzschicht einzulegen. Zusammen mit 192 weiteren unschuldigen Personen starb Sonia in einem Zug in Madrid.

Misha Bazelevskyy war 22 Jahre alt, ein junger Ukrainer, der das Leben noch vor sich hatte. Er stammte aus einfachen Verhältnissen. Seine Familie tat alles dafür, dass er ein Ingenieurstudium aufnehmen und seinen Traum, Elektroautos zu entwickeln, verwirklichen konnte. Misha war zu einem Studienaufenthalt in Nizza, als er mit 85 weiteren Menschen bei einem Anschlag ums Leben kam.

Nesar Hashemi machte eine Ausbildung in Deutschland. Seine Eltern waren aus Afghanistan geflohen. Eines Morgens im Februar hatte er beschlossen, sich den Namen der Stadt Hanau, in der er aufgewachsen war, auf den Arm tätowieren zu lassen, weil er seine Stadt liebte und stolz darauf war. Ein paar Stunden später wurden er und zwei seiner Freunde in eben dieser Stadt, die er so sehr liebte, aufgrund seiner Hautfarbe erschossen.

Heute trauern wir um Sonia, Misha und Nesar sowie um alle anderen Opfer des Terrorismus in Europa. Jedes ihrer Leben war besonders und einzigartig. Sie stammten aus unterschiedlichen Gegenden und aus unterschiedlichen Kreisen. Dennoch widerfuhr ihnen allen das gleiche absurde Schicksal. Wie Hunderten von ihnen auf den Straßen Londons oder Barcelonas, bei einem Konzert in Paris oder auf einer idyllischen Insel in Norwegen. An sie alle denken wir heute. Aber die Erinnerung muss auch im Alltag zum Ausdruck kommen. Nach jedem Terroranschlag versuchen wir zur Normalität zurückzukehren. Aber für die Opfer, ihre Familien und die Hinterbliebenen ist das schlicht unmöglich. Deshalb müssen wir unsere Solidarität mit ihnen bekunden und für sie da sein, aber auch weiterhin alles daransetzen, dass sich solche Tragödien nicht wiederholen.

Zunächst müssen wir den Überlebenden und ihren Familien zur Seite stehen. Terroropfer mit bleibenden Schäden benötigen besondere Hilfe. Diesbezüglich arbeiten wir eng mit den Mitgliedstaaten zusammen. Wir wollen sie unterstützen, mögliche Entschädigungen erleichtern und sie bei ihrer Rückkehr in ein mehr oder weniger normales Leben begleiten.

Zweitens wird niemand als Terrorist geboren. Einer Radikalisierung kann durch Inklusion und Bildung vorgebeugt werden. Das ist tägliche harte Arbeit — in unseren Gemeinschaften, in unseren Schulen und in unseren öffentlichen Debatten.

Drittens — und das ist das Entscheidende: Jede und jeder in unserer Union hat ein Anrecht darauf, sich sicher zu fühlen, auf der Straße und in den eigenen vier Wänden. Hierzu bedarf es aber einer EU-weiten Zusammenarbeit. Nur im Verbund können wir internationale Terrornetze zerschlagen, ihnen den Zugang zu Waffen erschweren und ihnen den Geldhahn abdrehen. Nur mit vereinten Kräften können wir unsere Union als Raum der Freiheit und der Sicherheit erhalten.

Ihr beide, lieber Emmanuel und lieber Charles, hattet in eurer Amtszeit mit Terroranschlägen zu tun. Und ihr habt alles dafür getan, um eure Länder und das Leben der Menschen sicherer zu machen. Ihr wisst daher am besten, dass man mit der Terrorismusbekämpfung nicht erst nach einem Anschlag anfängt. Es ist ein täglicher Kampf. An diesem Gedenktag erinnern wir an die Namen der Opfer und an ihre Geschichte. Wir gehen aber auch die feierliche Verpflichtung ein, den Terrorismus aus unserer Gesellschaft zu verbannen und zu einem sichereren und freieren Europa gelangen zu wollen.

Es lebe Europa!

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
11. März 2022
Autor
Vertretung in Luxembourg