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Vertretung in Luxemburg
Presseartikel15. Juni 2022Vertretung in Luxembourg

Kommission leitet Vertragsverletzungsverfahren gegen das Vereinigte Königreich wegen Verstoßes gegen das Völkerrecht ein

Brussels European Council, 16-17/06/2005

Die Europäische Kommission hat heute wegen Nichteinhaltung wesentlicher Teile des Protokolls zu Irland/Nordirland ein Vertragsverletzungsverfahren gegen das Vereinigte Königreich eingeleitet. Trotz wiederholter Aufforderungen hat die Regierung des Vereinigten Königreichs das Protokoll nicht umgesetzt. Sie verstößt damit klar gegen das Völkerrecht. Mit diesem Vertragsverletzungsverfahren soll erreicht werden, dass das Vereinigte Königreich das Protokoll in einer Reihe von Schlüsselbereichen, in denen es nicht ordnungsgemäß umgesetzt wurde, wieder einhält – letztlich mit dem Ziel, die Gesundheit und Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger der EU zu schützen.

Zugleich legt die Kommission heute weitere Einzelheiten zu den möglichen Lösungen vor, die sie im Oktober 2021 vorgeschlagen hat, um den Warenverkehr zwischen Großbritannien und Nordirland zu erleichtern. In den heute veröffentlichten Positionspapieren erläutert sie, wie der Warenverkehr zwischen Großbritannien und Nordirland erheblich vereinfacht werden kann. Die Kommission fordert die Regierung des Vereinigten Königreichs auf, sich ernsthaft und konstruktiv mit diesen Lösungsvorschlägen zu befassen. Wie üblich wird die Kommission sich dabei eng und kontinuierlich mit dem Europäischen Parlament und dem Rat abstimmen.

Kommissionsvizepräsident Maroš Šefčovič erklärte hierzu: „Vertrauen wird geschaffen, indem internationale rechtliche Verpflichtungen eingehalten werden. Einseitiges Handeln ist nicht konstruktiv. Ein Verstoß gegen internationale Abkommen ist nicht akzeptabel. Das Vereinigte Königreich hält sich nicht an das Protokoll. Deshalb leiten wir heute diese Vertragsverletzungsverfahren ein. Die EU und das Vereinigte Königreich müssen gemeinsam die praktischen Probleme lösen, die das Protokoll in Nordirland aufgrund des Brexit mit sich bringt. Ich bin nach wie vor der Überzeugung: Wenn wirklich der politische Wille dazu vorhanden ist, kann das Protokoll funktionieren und wir können unsere Ziele erreichen. Ich appelliere an meine Amtskollegen im Vereinigten Königreich, sich in loyaler Zusammenarbeit zu engagieren und das Potenzial der von uns vorgeschlagenen Lösungen auszuloten. Nur gemeinsame Lösungen schaffen die Rechtssicherheit, die den Menschen und Unternehmen in Nordirland gerecht wird.“

Vertragsverletzungen

Erstens hat die Kommission beschlossen, das am 15. März 2021 eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren durch eine mit Gründen versehene Stellungnahme in die zweite Phase zu bringen. Das Verfahren wurde ursprünglich eingeleitet, weil das Vereinigte Königreich das Protokoll nicht ordnungsgemäß umgesetzt hatte, vor allem im Hinblick auf die Bescheinigungsanforderungen bei der Beförderung von Agrarerzeugnissen. Es wurde im vergangenen Jahr im Geiste einer konstruktiven Zusammenarbeit ausgesetzt, um Raum für die gemeinsame Suche nach Lösungen zu schaffen. Die seit Februar mangelnde Bereitschaft des Vereinigten Königreichs zu sinnvollen Gesprächen und die einseitigen Maßnahmen in dieser Woche stehen diesem Geiste jedoch unmittelbar entgegen.

Antwortet die Regierung des Vereinigten Königreichs nicht binnen zwei Monaten, erwägt die Kommission, beim Gerichtshof der Europäischen Union gegen das Vereinigte Königreich zu klagen. Nach Artikel 12 Absatz 4 des Protokolls verfügt der Gerichtshof über die in den Verträgen vorgesehenen Befugnisse einschließlich der Möglichkeit, die Zahlung eines Pauschalbetrags oder eines Zwangsgelds zu verhängen.

Zweitens hat die Kommission beschlossen, aus folgenden Gründen zwei neue Vertragsverletzungsverfahren gegen das Vereinigte Königreich einzuleiten:

  • Versäumnis, seinen Verpflichtungen im Rahmen der gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Vorschriften der EU nachzukommen. Insbesondere führt das Vereinigte Königreich nicht die erforderlichen Kontrollen durch und sorgt nicht für angemessene Personalausstattung und Infrastruktur an den Grenzkontrollstellen in Nordirland. Es hat außerdem Leitlinien herausgegeben, die zur Folge haben, dass das EU-Recht nicht angewandt wird.
  • Versäumnis, der EU bestimmte Daten aus der Handelsstatistik in Bezug auf Nordirland entsprechend dem Protokoll zur Verfügung zu stellen.

Damit beginnen förmliche Vertragsverletzungsverfahren gemäß Artikel 12 Absatz 4 des Protokolls in Verbindung mit Artikel 258 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. In den heutigen Schreiben wird das Vereinigte Königreich aufgefordert, zügig Abhilfemaßnahmen zu ergreifen und dafür zu sorgen, dass die Bestimmungen des Protokolls wieder eingehalten werden. Das Vereinigte Königreich hat nun zwei Monate Zeit, um auf diese Schreiben zu antworten.

Die Kommission ist bereit, weitere Maßnahmen zu ergreifen.

Weitere Einzelheiten zur Umsetzung der Regelungen zur Erleichterung des Warenverkehrs zwischen Großbritannien und Nordirland

Die Kommission verfolgt nach wie vor das übergeordnete Ziel, im Rahmen des Protokolls mit dem Vereinigten Königreich gemeinsame Lösungen zu finden. Auf diese Weise können Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit für Menschen und Unternehmen in Nordirland gewährleistet werden.

Die Kommission hat die von ihr im Oktober 2021 vorgeschlagenen Regelungen im Bereich Zoll sowie gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Vorschriften in zwei Positionspapieren konkretisiert.  Mit der Veröffentlichung dieser Papiere soll aufgezeigt werden, dass im Rahmen des Protokolls Lösungen möglich sind. Die Kommission bleibt dafür offen, diese Lösungen gemeinsam mit der Regierung des Vereinigten Königreichs zu prüfen.

Wie im Oktober 2021 bereits erläutert, schlägt die EU ein vereinfachtes Modell für die Umsetzung des Protokolls vor, bei dem der Warenfluss zwischen Großbritannien und Nordirland für Waren mit endgültigem Bestimmungsort in Nordirland erheblich erleichtert wird. Diese Erleichterung wird durch eine Reihe von Schutzmaßnahmen ermöglicht, mit denen sichergestellt werden soll, dass die Waren nicht in den EU-Binnenmarkt gelangen.

Die Kommission ist der Auffassung, dass diese Vorschläge den Weg für eine Lösung der Umsetzungsprobleme im Zollbereich und bei den gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen ebnen.

Hintergrund

Die Europäische Union möchte freundschaftliche und stabile Beziehungen zum Vereinigten Königreich unterhalten. Diese Beziehungen müssen auf der uneingeschränkten Einhaltung der rechtsverbindlichen Verpflichtungen beruhen, die beide Seiten auf der Grundlage des Austrittsabkommens und des Handels- und Kooperationsabkommens eingegangen sind. Beide Parteien haben diese Abkommen gemeinsam ausgehandelt, vereinbart und ratifiziert.

Nach langen und intensiven Diskussionen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich wurde mit dem Protokoll die Lösung gefunden, mit der die Herausforderungen miteinander in Einklang gebracht werden können, die sich aus dem Brexit und insbesondere aus dessen konkreter Ausgestaltung durch das Vereinigte Königreich ergeben. Das Protokoll ist fester Bestandteil des Austrittsabkommens. Mit ihm wird eine harte Grenze auf der Insel Irland vermieden, das Karfreitagsabkommen (Abkommen von Belfast) von 1998 in all seinen Aspekten aufrechterhalten und die Integrität des EU-Binnenmarkts gewährleistet.

Die EU hat Verständnis für die praktischen Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Protokolls gezeigt und bewiesen, dass in dem von ihm vorgegebenen Rahmen Lösungen gefunden werden können.

Weitere Informationen

Fragen und Antworten zur Reaktion der Kommission auf das Gesetz, mit dem das Vereinigte Königreich wesentliche Teile des Protokolls zu Irland/Nordirland aushebelt

Positionspapiere zu möglichen Lösungen – Zoll und Gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Fragen

Paket vom Oktober 2021

Factsheets

Website der Kommission: Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich

 

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
15. Juni 2022
Autor
Vertretung in Luxembourg