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Vertretung in Luxemburg
Presseartikel8. März 2022Vertretung in Luxembourg

Kommission schlägt EU-weite Vorschriften zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt vor

lutter contre la violence à l'égard des femmes et la violence domestique

Die Kommission schlägt heute EU-weite Vorschriften zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt vor. Mit der vorgeschlagenen Richtlinie werden Vergewaltigung auf der Grundlage fehlender Einwilligung, Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen sowie Cyber-Gewalt unter Strafe gestellt. Cyber-Gewalt beinhaltet die nicht einvernehmliche Weitergabe von intimen Bildern, Cyber-Stalking, Cybermobbing sowie die Aufstachelung zu Gewalt oder Hass im Internet. Die neuen Vorschriften verbessern zudem den Zugang von Opfern zur Justiz und fordern die Mitgliedstaaten dazu auf, eine einzige Anlaufstelle einzurichten, um alle Unterstützungs- und Schutzdienste zu zentralisieren. Für Opfer sollte die Möglichkeit bestehen, in Strafverfahren Entschädigung zu verlangen. Darüber hinaus werden im Rahmen des Vorschlags angemessener und spezialisierter Schutz und Unterstützung gefordert, z. B. in Form von kostenfreien Beratungsstellen und Krisenzentren für Vergewaltigungsopfer. Auch ist eine gezielte Unterstützung für Gruppen mit spezifischen Bedürfnissen bzw. gefährdete Gruppen vorgesehen, etwa für Frauen, die vor bewaffneten Konflikten fliehen.

Die zentralen Elemente des neuen Vorschlags:

  1. Einstufung von Vergewaltigung, Verstümmelung weiblicher Genitalien und Cybergewalt als Straftatbestand 

Die Kommission schlägt vor, folgende Straftaten EU-weit unter Strafe zu stellen: i) Vergewaltigung auf der Grundlage fehlender Einwilligung, ii) Verstümmelung weiblicher Genitalien (FGM), iii) Cyber-Stalking, iv) nicht einvernehmliche Weitergabe von intimen Bildern, v) Cybermobbing und vi) Aufstachelung zu Hass oder Gewalt im Internet.

Der Vorschlag ergänzt das Gesetz über digitale Dienste (DSA) und trägt zu dessen Umsetzung bei, indem illegale Online-Inhalte im Zusammenhang mit Cybergewalt definiert werden. Er sieht zudem die Möglichkeit vor, zeitnah gerichtlich eine rasche Entfernung einschlägiger Online-Inhalte zu erwirken. 

  1. Sichere Melde- und Risikobewertungsverfahren

Mit dem Vorschlag soll gegen die noch immer bestehende unzureichende Meldung von Gewalt gegen Frauen vorgegangen werden. So werden neue Möglichkeiten eingeführt, um Gewalttaten auf geschlechtersensible, sicherere, einfachere, leichter zugängliche – auch online – und kinderfreundliche Weise zu melden. Fachkräfte wie Beschäftigte im Gesundheitswesen oder in der Psychiatrie wären damit nicht mehr durch Vertraulichkeitsregelungen daran gehindert, begründete Verdachtsfälle zu melden, wenn eine unmittelbare Gefahr ernsthafter körperlicher Schäden besteht. Die Behörden wären außerdem verpflichtet, individuelle Risikobewertungen vorzunehmen, wenn ein Opfer sich an sie wendet, damit das vom Täter ausgehende Risiko bewertet wird. Ausgehend von entsprechenden Bewertungen müssten die Behörden für sofortigen Schutz durch Sperr- oder Schutzanordnungen sorgen.

  1. Achtung der Privatsphäre der Opfer in Gerichtsverfahren und Recht auf Entschädigung

Die Kommission schlägt vor, dass Beweismittel oder Fragen im Zusammenhang mit dem Privatleben der Opfer, insbesondere ihr sexuelles Vorleben betreffend, nur verwendet werden dürfen, wenn dies unbedingt erforderlich ist. Opfer hätten das Recht, von Straftätern eine vollständige Entschädigung für erlittene Schäden zu verlangen, etwa für Kosten im Zusammenhang mit der Gesundheitsversorgung, Unterstützungsleistungen, Einkommensverluste sowie für physische und psychische Schäden. Darüber hinaus sollte für Opfer die Möglichkeit bestehen, im Rahmen eines Strafverfahrens eine Entschädigung zu erhalten.

  1. Unterstützung von Opfern durch Beratungsstellen und Krisenzentren für Vergewaltigungsopfer

Um den sehr spezifischen Bedürfnissen von Opfern sexueller Gewalt nachzukommen, schlägt die Kommission vor, dass die Mitgliedstaaten spezielle Dienste bereitstellen, darunter auch in Form von Krisenzentren für Vergewaltigungsopfer. Opfer, die einem erhöhten Gewaltrisiko ausgesetzt sind, einschließlich Frauen, die vor bewaffneten Konflikten fliehen, sollten von den Mitgliedstaaten gezielt unterstützt werden. Nationale Beratungsstellen zur Unterstützung von Opfern von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sollten ganzjährig, rund um die Uhr und kostenfrei zur Verfügung stehen. Handelt es sich bei einem Opfer um ein Kind, sollten die Behörden altersgerechte Unterstützung zum Wohl des Kindes vorsehen. Auch Opfer von Cybergewalt sollten Anspruch auf angemessene Unterstützung haben, einschließlich Beratung darüber, wie sie juristische Hilfe bekommen und wie Online-Inhalte entfernt werden können. In Fällen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz sollten den Opfern und Arbeitgebern externe Beratungsdienste zur Verfügung stehen.

  1. Bessere Koordinierung und Zusammenarbeit

Die Mitgliedstaaten sollten bewährte Verfahren austauschen und einander in Strafsachen konsultieren, auch über Eurojust und das Europäische Justizielle Netz. Um die Fortschritte zu verfolgen und die Situation in allen Mitgliedstaaten zu beobachten, schlägt die Kommission zudem eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten vor, Daten über Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu erheben, die alle fünf Jahre in eine EU-weite Erhebung einfließen.

Bericht über die Gleichstellung der Geschlechter 2022

Die Kommission veröffentlicht heute außerdem ihren Jahresbericht 2022 zur Gleichstellung der Geschlechter in der EU. Im Jahr 2021 wurden in Form von Legislativvorschlägen wesentliche Schritte unternommen, etwa bei der Lohntransparenz, mit Blick auf angemessene Mindestlöhne in der EU sowie durch ein neues Gesetz über digitale Dienste, das dabei helfen wird, illegale Inhalte zu entfernen und die Nutzerinnen und Nutzer im Internet zu schützen. Im Dezember 2021 schlug die Kommission ferner vor, die Liste der EU-Straftatbestände um Hetze und Hasskriminalität zu erweitern.https://www.consilium.europa.eu/en/press/press-releases/2021/12/06/coun…

Aus dem Bericht geht auch hervor, dass Frauen unverhältnismäßig stark von der Pandemie betroffen waren. Im Jahr 2020 ging die Erwerbsbeteiligung von Frauen gegenüber 2019 um 0,5 % zurück, nachdem sie zehn Jahre lang stetig gestiegen war. Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt sind in der EU nach wie vor weit verbreitet und wurden durch die Pandemie verschärft; dies trifft auch auf Gewalt im Internet zu.

Wie dem Bericht ebenfalls zu entnehmen ist, entstehen durch das Versäumnis, gegen Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt vorzugehen, Kosten von schätzungsweise 289 Mrd. EUR pro Jahr.

Stimmen aus dem Kommissionskollegium:

Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, erklärte:

„Ich möchte, dass Europa den Frauen mit Schutz und Unterstützung zur Seite steht. Ich möchte eine Gesellschaft, in der Gewalt gegen Frauen verhindert, verurteilt und verfolgt wird, wenn sie geschieht. Es ist an der Zeit, für Gerechtigkeit und Gleichheit zu sorgen. Deshalb legen wir heute die richtigen Regeln vor, um den Wandel zu beschleunigen.“

Die für Werte und Transparenz zuständige Vizepräsidentin der Kommission, Věra Jourová, erklärte:

„Zu viele Frauen und Mädchen erleiden Vergewaltigung, Belästigung oder Missbrauch. Dies hat im modernen Europa keinen Platz. Leider verbessert sich die Situation nicht schnell genug, und die Gewalt im Internet nimmt zu. Heute schlagen wir zum ersten Mal EU-weite Rechtsvorschriften zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen vor. Dadurch werden den Opfern konkrete Instrumente an die Hand gegeben. Die Täter müssen die Folgen tragen, die sich aus ihrem Handeln ergeben.“

Die für Gleichheitspolitik zuständige EU-Kommissarin Helena Dalli erklärte:

„Gewalt gegen Frauen wirkt sich unmittelbar auf die Gleichstellung der Frauen aus und beeinträchtigt unsere Fähigkeit, uns in der Wirtschaft und der Gesellschaft zu entfalten und Führungsrollen zu übernehmen. Das Ziel und die Verpflichtungen der Kommission sind klar. Heute setzen wir uns für einen umfassenden Legislativvorschlag zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ein und erfüllen damit gleichzeitig internationale Standards. Mit diesem Vorschlag werden wir für Frauen und Mädchen in ganz Europa etwas bewirken.“

Hintergrund

Die Notwendigkeit, Gewalt gegen Frauen zu verhindern und zu bekämpfen, Opfer zu schützen und Täter zu bestrafen, wurde in den politischen Leitlinien von Präsidentin von der Leyen als zentrale Priorität der Kommission angekündigt und ist Teil der Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020-2025.

Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt sind in der gesamten EU weit verbreitet und betreffen Schätzungen zufolge jede dritte Frau in der EU. Jede zweite Frau hat sexuelle Belästigung erfahren. Eine von 20 Frauen gibt an, vergewaltigt worden zu sein. Auch Online-Gewalt nimmt zu und richtet sich insbesondere gegen Frauen im öffentlichen Leben, wie Journalistinnen und Politikerinnen. Jede zweite junge Frau hat geschlechtsspezifische Cybergewalt erlebt. Auch am Arbeitsplatz sind Frauen mit Gewalt konfrontiert: etwa ein Drittel der Frauen in der EU, die sexuelle Belästigung erfahren haben, waren am Arbeitsplatz davon betroffen.

Das Europäische Parlament sowie nichtstaatliche Organisationen in der gesamten EU und Opferschutzorganisationen haben wiederholt Rechtsvorschriften zu Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sowie generell zu Cybergewalt gegen Frauen gefordert.

Im Jahr 2022 stehen für die laufenden Arbeiten der Kommission zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt und zur Förderung der Gleichstellung sowie im Rahmen des neuen mit 1,55 Mrd. EUR ausgestatteten Finanzierungsprogramms „Bürgerinnen und Bürger, Gleichstellung, Rechte und Werte“ 30,5 Mio. EUR für Projekte zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder zur Verfügung. Ferner stehen 6,8 Mio. EUR für Projekte zur Verfügung, die Frauen bei der uneingeschränkten Wahrnehmung ihrer Rechte unterstützen, Geschlechterstereotypen ausräumen, die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben fördern, die Rolle der Frau stärken und das Gender Mainstreaming voranbringen.

Weitere Informationen

Vorschlag für eine Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt

Factsheet zur Förderung der Geschlechtergleichstellung  

Fragen und Antworten zum Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt

Bericht über die Gleichstellung der Geschlechter in der EU von 2022

Website zur Beendigung geschlechtsspezifischer Gewalt

Website zur Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
8. März 2022
Autor
Vertretung in Luxembourg