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Vertretung in Luxemburg
  • Presseartikel
  • 13. Mai 2022
  • Vertretung in Luxembourg
  • Lesedauer: 8 Min

Kampf gegen Kindesmissbrauch: Kommission präsentiert Gesetzesvorschlag zum Schutz von Kindern

Internet security for children - Tablet and laptop

Die Kommission schlägt heute neue EU-Rechtsvorschriften zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet vor. Der sexuelle Missbrauch von Kindern ist allgegenwärtig: Allein im Jahr 2021 wurden weltweit 85 Millionen Bilder und Videos mit Darstellungen von sexuellem Kindesmissbrauch gemeldet, und die Dunkelziffer ist hoch. Die COVID-19-Pandemie hat das Problem noch verschärft: Nach Angaben der Internet Watch Foundation ist die Zahl der bestätigten Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr um 64 % gestiegen. Mit den derzeitigen Regelungen, die auf eine freiwillige Aufdeckung und Meldung durch die Unternehmen setzen, werden Kinder nachweislich nicht ausreichend geschützt. Und selbst die bestehenden Möglichkeiten zur Aufdeckung entsprechender Inhalte werden nicht mehr zur Verfügung stehen, wenn die gegenwärtige Übergangslösung ausläuft. Fast 95 % aller Meldungen über sexuellen Kindesmissbrauch kamen im Jahr 2020 von ein und demselben Unternehmen, obwohl das Problem ganz offensichtlich nicht nur auf einer Plattform besteht.

Damit Online-Dienste nicht für den sexuellen Missbrauch von Kindern genutzt werden, braucht es klare Vorschriften mit robusten Bedingungen und Schutzmechanismen. Der neue Gesetzesvorschlag nimmt die Anbieter in die Pflicht: Sie müssen Material über sexuellen Kindesmissbrauch in ihren Diensten aufdecken, melden und entfernen. Außerdem müssen sie das Risiko, dass ihre Dienste missbraucht werden, bewerten und mindern. Die hierzu getroffenen Maßnahmen müssen mit Blick auf das Risiko verhältnismäßig sein und sind an robuste Bedingungen und Schutzmechanismen gekoppelt.

Ein neues unabhängiges EU-Zentrum für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (EU-Zentrum) wird die Diensteanbieter in ihren Bemühungen unterstützen, indem es als Wissenszentrum dient, das verlässliche Informationen über ermitteltes Material bereitstellt, Meldungen von Anbietern entgegennimmt und analysiert, damit Falschmeldungen nicht an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet werden, und indem es einschlägige Meldungen schnell zur Strafverfolgung weitergibt und die Opfer unterstützt.

Der neue Vorschlag wird dazu beitragen, Kinder vor fortgeführtem Missbrauch zu bewahren, das Wiederauftauchen von Material im Netz zu verhindern und die Täter vor Gericht zu bringen. Die Vorschriften beinhalten insbesondere Folgendes:

  • Pflicht zur Bewertung und Minderung von Risiken: Anbieter von Hosting- oder Messenger-Diensten müssen eine Risikobewertung anstellen, inwieweit ihre Dienste für die Verbreitung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch oder für die Kontaktanbahnung („Grooming“) missbraucht werden könnten. Die Anbieter müssen auch Maßnahmen zur Risikominderung vorsehen.
  • Gezielte Aufdeckungspflichten auf Basis von Anordnungen: Die Mitgliedstaaten sollen nationale Behörden benennen, die für die Überprüfung der Risikobewertung zuständig sind. Stellen diese Behörden fest, dass ein erhebliches Risiko bleibt, können sie bei einem Gericht oder einer unabhängigen nationalen Behörde eine Anordnung beantragen, mit der verfügt wird, dass bekanntes oder neues Material über sexuellen Kindesmissbrauch oder Kontaktanbahnungen aufgespürt werden müssen. Diese Anordnungen sind zeitlich befristet und dienen dazu, eine bestimmte Art von Inhalt in einem bestimmten Dienst aufzudecken.
  • Starke Schutzmechanismen bei der Aufdeckung: Unternehmen, die eine Anordnung zur Aufdeckung von Inhalten erhalten haben, dürfen hierfür ausschließlich Indikatoren für sexuellen Kindesmissbrauch nutzen, die vom EU-Zentrum überprüft und bereitgestellt wurden. Die Erkennungstechnologien dürfen nur für die Aufdeckung von sexuellem Kindesmissbrauch eingesetzt werden. Die Anbieter müssen Technologien einsetzen, die nach dem Stand der Technik in der Branche am wenigsten in die Privatsphäre eingreifen und dafür sorgen, dass die Fehlerquote falsch positiver Ergebnisse so gering wie möglich ist.
  • Klare Meldepflichten: Anbieter, die Online-Inhalte mit sexuellem Kindesmissbrauch aufgespürt haben, müssen diese an das EU-Zentrum melden.
  • Wirksame Entfernung: Wird Material über sexuellen Kindesmissbrauch nicht umgehend entfernt, können die nationalen Behörden eine Entfernungsanordnung erlassen. Internetanbieter werden außerdem verpflichtet, den Zugang zu Bildern und Videos zu sperren, wenn diese nicht entfernt werden können, beispielsweise weil sie außerhalb der EU in kooperationsunwilligen Ländern gehostet werden.
  • Besserer Schutz vor „Grooming“: Nach dem Vorschlag müssen App-Stores sicherstellen, dass Kinder keine Apps herunterladen können, die eine erhöhte Gefahr bergen, dass Täter darüber Kontakt zu den Kindern suchen.
  • Solide Kontrollmechanismen und Rechtsbehelfe: Anordnungen zur Aufdeckung von Inhalten werden von Gerichten oder unabhängigen nationalen Behörden erlassen. Um die Gefahr der Falscherkennung und Falschmeldung so gering wie möglich zu halten, werden Meldungen von mutmaßlichem sexuellem Kindesmissbrauch vom EU-Zentrum überprüft, bevor sie an die Strafverfolgungsbehörden und an Europol weitergeleitet werden. Sowohl Anbieter als auch Nutzer haben das Recht, jede sie betreffende Maßnahme vor Gericht anzufechten.

Das neue EU-Zentrum unterstützt

  • die Anbieter von Online-Diensten insbesondere dabei, ihre neuen Verpflichtungen zur Durchführung von Risikobewertungen sowie zur Aufdeckung, Meldung, Entfernung und Sperrung von Kindesmissbrauchsinhalten zu erfüllen, indem es Indikatoren für die Aufdeckung von sexuellem Kindesmissbrauch bereitstellt und die Meldungen der Anbieter entgegennimmt;
  • die nationalen Strafverfolgungsbehörden und Europol, indem es die Meldungen der Anbieter überprüft, um sicherzustellen, dass es sich nicht um Falschmeldungen handelt, und indem es sie schnell an die Strafverfolgungsbehörden weiterleitet. Dies wird dazu beitragen, dass Kinder vor Missbrauchssituationen bewahrt und die Täter der Justiz zugeführt werden;
  • die Mitgliedstaaten, indem es als Wissenszentrum für bewährte Praktiken im Bereich der Prävention und Opferhilfe dient und einen evidenzbasierten Ansatz fördert;
  • die Opfer, indem es ihnen dabei hilft, dass die betreffenden Missbrauchsdarstellungen entfernt werden.

Zusammen mit dem heutigen Vorschlag legt die Kommission auch eine Europäische Strategie für ein besseres Internet für Kinder vor.

Nächste Schritte

Als Nächstes müssen das Europäische Parlament und der Rat über den Vorschlag entscheiden.

Sobald die neue Verordnung angenommen ist, wird sie die gegenwärtig geltende Übergangsverordnung ersetzen.

Stimmen aus dem Kommissionskollegium

Dubravka Šuica, Vizepräsidentin für Demokratie und Demografie, erklärte:

„Dass die Rechte von Kindern sowohl online als auch offline geachtet und geschützt werden, ist für das Wohl unserer Gesellschaften von wesentlicher Bedeutung. Online-Material über sexuellen Kindesmissbrauch ist ein Produkt des manifesten physischen Missbrauchs von Kindern. Es ist hochkriminell. Online verübter sexueller Missbrauch hat für Kinder weitreichende, langfristige Folgen und hinterlässt ein tiefes Trauma. Manche kommen nie darüber hinweg. Wir können etwas gegen sexuellen Kindesmissbrauch tun, indem wir zusammenarbeiten, um Kinder zu schützen. Wir nehmen sexuellen Kindesmissbrauch offline nicht hin und dürfen ihn daher auch online nicht zulassen.“

Der für die Förderung unserer europäischen Lebensweise zuständige Vizepräsident Margaritis Schinas erklärte:

 „Die schiere Menge an Material über sexuellen Kindesmissbrauch, das im Netz kursiert, macht einen sprachlos. Und es ist beschämend, dass Europa für den Großteil dieses Materials als globales Drehkreuz dient. Deshalb geht es also wirklich um die Frage: Wenn wir nichts tun, wer dann? Unser Vorschlag enthält klare, gezielte und verhältnismäßige Pflichten für die Diensteanbieter, damit sie illegale Inhalte mit Kindesmissbrauch aufdecken und entfernen. Was genau die Dienste tun dürfen, wird durch starke Schutzmechanismen sehr eng eingegrenzt – wir sprechen hier nur von einem Programm-Scanning auf Marker illegaler Inhalte, so wie Cybersicherheitsprogramme heute schon permanent Checks zur Erkennung von Sicherheitsverletzungen durchführen.“

Ylva Johansson, EU-Kommissarin für Inneres, sagte:

„Als Erwachsene haben wir die Pflicht, Kinder zu schützen. Sexueller Missbrauch von Kindern ist eine reelle und eine wachsende Gefahr: Es werden nicht nur immer mehr Fälle gemeldet, sondern die Betroffenen werden auch immer jünger. Diese Meldungen sorgen dafür, dass Ermittlungen aufgenommen werden und Kinder unmittelbar vor weiterem Missbrauch bewahrt werden können. So hat eine von Europol unterstützte Ermittlung, die auf die Meldung eines Online-Diensteanbieters zurückging, dafür gesorgt, dass 146 Kinder in der ganzen Welt gerettet und mehr als 100 Verdächtige in der gesamten EU ermittelt werden konnten. Die Aufdeckung, Meldung und Entfernung von Missbrauchsinhalten ist auch dringend erforderlich, damit Bilder und Videos, die den sexuellen Missbrauch von Kindern zeigen, nicht mehr weitergegeben werden können, denn hierdurch werden die Opfer oft noch Jahre nach dem sexuellen Missbrauch immer wieder aufs Neue traumatisiert. Der heutige Vorschlag enthält klare Pflichten für Unternehmen, den Missbrauch von Kindern aufzudecken und zu melden, wobei der Schutz der Privatsphäre aller Beteiligten, insbesondere auch der Kinder, durch starke Schutzmechanismen gewährleistet wird.“

Hintergrund

Der Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch ist für die EU eine Priorität. Heutzutage werden Fotos und Videos, die den sexuellen Missbrauch von Kindern zeigen, im Internet massiv verbreitet. Im Jahr 2021 wurden beim US-amerikanischen National Centre for Missing and Exploited Children 29 Millionen Fälle gemeldet.

Da es bisher keine harmonisierten EU-Vorschriften gibt, sehen sich Social-Media-Plattformen, Gaming-Dienste und Anbieter anderer Hosting- und Online-Dienste mit unterschiedlichen Regelungen konfrontiert. Manche Anbieter setzen freiwillig Technologien ein, um Material über sexuellen Kindesmissbrauch aufzudecken, zu melden und zu entfernen. Wieviel getan wird, ist jedoch sehr unterschiedlich, und es hat sich gezeigt, dass Freiwilligkeit allein nicht reicht, um dem Problem Herr zu werden. Der heutige Vorschlag baut auf dem Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act) auf und ergänzt es durch Regelungen, die dem speziellen Problem von Kindesmissbrauch in der Online-Welt gerecht werden sollen.

Der heutige Vorschlag knüpft an die EU-Strategie für eine wirksamere Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern vom Juli 2020 an, in der dargelegt wird, wie durch die Verbesserung von Prävention, Ermittlungen und Hilfe für Opfer umfassend auf die wachsende Bedrohung des sexuellen Missbrauchs von Kindern sowohl offline als auch online reagiert werden soll. Außerdem hat die Kommission im März ihre EU-Kinderrechtsstrategie vorgestellt, die konkrete Maßnahmen dazu enthält, wie Kinder gegen alle Formen von Gewalt, insbesondere auch gegen Missbrauch in der Online-Welt geschützt werden können.

Weitere Informationen

Fragen und Antworten: Neuer Gesetzesvorschlag gegen sexuellen Kindesmissbrauch

Factsheet

Vorschlag für eine Verordnung zur Festlegung von Vorschriften für die Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern

Website

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
13. Mai 2022
Autor
Vertretung in Luxembourg