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Vertretung in Luxemburg
Presseartikel30. April 2024Vertretung in LuxembourgLesedauer: 5 Min

Kommission leitet erste Phase der Konsultation der Sozialpartner zur fairen Telearbeit und zum Recht auf Nichterreichbarkeit ein*

Die Kommission hat heute die erste Phase der Konsultation der europäischen Sozialpartner eingeleitet, um Standpunkte zur möglichen Ausrichtung von EU-Maßnahmen zur Gewährleistung fairer Telearbeit und des Rechts auf Nichterreichbarkeit einzuholen.

Telearbeit ist insbesondere seit der COVID-19-Pandemie weitverbreitet. Die EU-Arbeitskräfteerhebung zeigt, dass sich in der EU der Gesamtanteil der Menschen, die von zu Hause aus arbeiten, in den letzten Jahren fast verdoppelt hat, von 11,1 % im Jahr 2019 auf 20 % im Jahr 2022. Dabei bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Wirtschaftsbereichen und Arbeitsprofilen, die auch von der Frage abhängen, inwieweit die betreffende Arbeit aus der Ferne ausgeführt werden kann. Die Daten zeigen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die die Möglichkeit zur Telearbeit haben und diese auch in Anspruch nehmen, die damit einhergehenden Vorteile, insbesondere die Flexibilität, zu schätzen wissen. Im Rahmen einer Eurofound-Umfrage von 2022 bestätigten über 60 % der Befragten, dass sie zumindest einen Teil ihrer Arbeitszeit von zu Hause aus arbeiten möchten.

In der Tat bringt Telearbeit viele Chancen für die Arbeitswelt mit sich – sie ist aber auch mit einigen Herausforderungen verbunden. Sie kann flexible Arbeitsregelungen ermöglichen, doch wirft diese Form der Arbeitsorganisation auch Fragen auf – etwa wie sichergestellt werden kann, dass die Arbeitnehmerrechte in einem stärker digitalisierten Arbeitsumfeld eingehalten werden, u. a. angemessene Arbeitsbedingungen sowie Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz. Insbesondere der Einsatz digitaler Werkzeuge für die Arbeit und die Möglichkeit, aus der Ferne zu arbeiten, bergen Risiken, die mit der Kultur der ständigen Erreichbarkeit einhergehen. Deshalb sind von verschiedenen Interessenträgern Forderungen nach einem Recht auf Nichterreichbarkeit laut geworden, damit Beruf und Privatleben klar getrennt werden können.  

Die heutige Konsultation folgt auf die Entschließung des Europäischen Parlaments aus dem Jahr 2021, in der ein Vorschlag zur Lösung dieses Problems gefordert wurde. Im Einklang mit Präsidentin von der Leyens politischen Leitlinien zu Entschließungen, die das Europäische Parlament gemäß Artikel 225 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) annimmt, ist die Kommission bestrebt, als Reaktion einen entsprechenden Legislativvorschlag vorzulegen – unter uneingeschränkter Wahrung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, Subsidiarität und besseren Rechtsetzung.

In der Zwischenzeit hatten die europäischen branchenübergreifenden Sozialpartner mit Unterstützung der Kommission Verhandlungen über die Aktualisierung ihrer Rahmenvereinbarung über Telearbeit aus dem Jahr 2002 aufgenommen. Da diese ergebnislos blieben, forderten sie die Kommission auf, sich mit der Frage zu befassen. Daher leitet die Kommission nun die förmliche Konsultation der EU-Sozialpartner gemäß den Regeln und Verfahren für sozialpolitische Rechtsvorschriften ein. Die Konsultation läuft bis zum 11. Juni 2024.

Hintergrund

Die Kommission holt gemäß Artikel 154 Absatz 2 AEUV die Standpunkte der EU-Sozialpartner ein. Dieser Artikel sieht für Vorschläge im Bereich der Sozialpolitik auf der Grundlage von Artikel 153 AEUV eine zweistufige Anhörung der europäischen Sozialpartner vor.

Zwar gibt es derzeit keine Rechtsvorschriften auf EU-Ebene, die speziell Telearbeit oder das Recht auf Nichterreichbarkeit regeln, doch gibt es EU-Rechtsvorschriften, die auch für den Kontext der Telearbeit gelten und bestimmte Aspekte im Zusammenhang mit dem Recht auf Nichterreichbarkeit regeln. Im Strategischen Rahmen für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2021-2027 werden die wichtigsten Prioritäten und Maßnahmen festgelegt, um den Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Arbeitsplatz zu gewährleisten. Die Arbeitszeitrichtlinie enthält Vorschriften zu täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten, zum Jahresurlaub und zur Begrenzung der wöchentlichen Arbeitszeit. Die Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen gibt Arbeitnehmern, deren Arbeitsmuster sich nicht vorhersehen lässt (z. B. auf Abruf beschäftigte Arbeitnehmer oder Arbeitnehmer mit Null-Stunden-Verträgen), das Recht, im Voraus zu erfahren, wann und wo die Arbeit stattfinden wird. Schließlich unterstützt die Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben Eltern und pflegende Angehörige, indem sie Rechte im Zusammenhang mit angemessenen Urlaubsregelungen und flexiblen Arbeitsregelungen vorsieht.  

2024 veröffentlichten die Kommissionsdienststellen eine Studie, in der der soziale, wirtschaftliche und rechtliche Kontext und die Trends der Telearbeit und des Rechts auf Nichterreichbarkeit im Zusammenhang mit der Digitalisierung und der Zukunft der Arbeit während und nach der COVID-19-Pandemie untersucht werden. Diese Studie baut auf umfassenden Konsultationen mit Verwaltungen in allen Mitgliedstaaten sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Arbeitgebern, Sachverständigen und Hochschulen auf. Die Ergebnisse dieser Studie werden zusammen mit den Ergebnissen der Konsultation der Sozialpartner in die Vorbereitung der EU-Maßnahmen zur Telearbeit und zum Recht auf Nichterreichbarkeit einfließen.

Weitere Informationen

Konsultationspapier: erste Phase der Konsultation der Sozialpartner

Studie über Telearbeit und das Recht auf Nichterreichbarkeit

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*Aktualisiert am 30.4.2024.

Quote(s)

 

Dank digitaler Technologien können nunmehr viele Arbeiten aus der Ferne ausgeführt werden. Die Gesamtbilanz fällt positiv aus: 60 % der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ziehen es vor, zumindest einen Teil der Arbeitswoche in Telearbeit zu verbringen. Sie schätzen die Flexibilität und Autonomie der Telearbeit, während Unternehmen von höherer Produktivität und Personalbindung profitieren. Wir konsultieren nun die Sozialpartner zu den Chancen und Risiken im Zusammenhang mit Telearbeit. Wir wollen sicherstellen, dass die EU-Vorschriften ihre Autonomie fördern und Unternehmen und Arbeitskräften, die sich für Telearbeit entscheiden, nicht im Wege stehen. Wir ersuchen sie auch um Stellungnahme zu der Frage, ob spezifische Risiken ein Tätigwerden der EU erfordern. Dies schließt die Risiken für die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein, die sich aus einer Kultur der ständigen Erreichbarkeit ergeben, und die damit verbundene Forderung des Europäischen Parlaments, das Recht auf Nichterreichbarkeit zu gewährleisten.

Exekutiv-Vizepräsident Valdis Dombrovskis‚ zuständig für das Ressort „Eine Wirtschaft im Dienste der Menschen“

 

Während der COVID-19-Pandemie war die Telearbeit eine Notwendigkeit, nun ist sie ein fester Bestandteil des modernen Arbeitslebens. Bei der Anpassung an diesen Wandel ist es wichtig, die einhergehenden tiefgreifenden sozialen Auswirkungen anzuerkennen und anzugehen. Wie in den politischen Leitlinien dargelegt, ist die Kommission weiterhin entschlossen, auf die Entschließung des Europäischen Parlaments mit Legislativvorschlägen zu reagieren. Nach den ergebnislosen Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern ersucht die Kommission diese, zu den nächsten Schritten Stellung zu nehmen. Ein solider politischer Rahmen für die Telearbeit und das Recht auf Nichterreichbarkeit ist von entscheidender Bedeutung für eine gesunde Balance zwischen Beruf und Privatleben und für den Schutz des geistigen und körperlichen Wohlbefindens der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Nicolas Schmit, Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
30. April 2024
Autor
Vertretung in Luxembourg