Zum Hauptinhalt
Vertretung in Luxemburg
Rede12. März 2024Vertretung in LuxembourgLesedauer: 7 Min

Rede von Präsidentin von der Leyen bei der Plenartagung des Europäischen Parlaments zur Vorbereitung der Tagung des Europäischen Rates am 21.-22. März 2024

Vielen Dank Frau Präsidentin, liebe Roberta,

sehr geehrte Ministerinnen und Minister, liebe Hadja,

sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

auf der Tagesordnung des kommenden Europäischen Rates stehen in der Tat zahlreiche Themen, wie Sie gesagt haben, die von der Ukraine über Verteidigung und Erweiterung bis hin zum Nahen Osten reichen. Ich will mich heute auf zwei Themen konzentrieren: eines ist der Nahe Osten und das andere die Erweiterung.

Jetzt während unserer Debatte ist ein Schiff auf dem Weg von Zypern zum nördlichen Gazastreifen. An Bord befindet sich die grundlegendste Art der humanitären Hilfe, die zurzeit am dringendsten benötigt wird: Nahrungsmittel, ganz einfach Nahrungsmittel für Menschen, die von einer humanitären Katastrophe betroffen sind. Dieser maritime Korridor ist das Ergebnis einer beispiellosen internationalen Zusammenarbeit unter der Leitung von Präsident Nikos Christodoulides. Wir haben Hand in Hand gearbeitet, nicht nur mit Zypern, sondern auch mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich. Erst vor wenigen Tagen war ich im Hafen von Larnaka, um die letzten Vorbereitungen vor dem Auslaufen des Schiffes zu erleben. Es ist so eindrucksvoll, wie es notwendig ist. Sobald dieser maritime Korridor voll funktionsfähig ist, könnte er einen nachhaltigen, geregelten und stabilen Fluss an Hilfsgütern in den Gazastreifen gewährleisten. Es ist das erste Mal seit 2005, dass ein Schiff Hilfsgüter in den Gazastreifen liefern darf. Dies ist endlich ein zusätzlicher Rettungsanker für die Menschen im Gazastreifen.

Die Lage vor Ort ist dramatischer denn je und hat nun einen Kipppunkt erreicht. Wir alle haben die Berichte über Kinder gesehen, die an Hunger sterben. Das darf nicht sein. Und wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um dem ein Ende zu setzen. Jeder weiß, wie schwierig es ist, Hilfsgüter in den Gazastreifen zu bringen und innerhalb des Gazastreifens zu befördern. Alle Wege müssen genutzt werden, um Menschen in Not zu erreichen. Hier kommt der maritime Korridor ins Spiel. Er kann entscheidend dazu beitragen, dass mehr Hilfe auch wirklich bei den Menschen im nördlichen Gazastreifen ankommt. Die Vereinigten Staaten werden nun einen schwimmenden Hafen errichten, in dem große Schiffe entladen werden können. Bis dahin arbeiten wir mit kleineren Schiffen. Die Vereinigten Arabischen Emirate und andere Partner werden sich an der Finanzierung der Schiffsfracht beteiligen. Zypern wird sich um die Abfahrten im Hafen von Larnaka kümmern. Und wir, die Europäische Union, werden unsere logistische Unterstützung vor Ort ausbauen. Ein EU-Koordinierungsteam befindet sich in Zypern. Und wir werden die Beförderung europäischer Waren durch diesen Korridor finanzieren und koordinieren.

Parallel dazu haben mehrere Länder, darunter einige unserer Mitgliedstaaten, damit begonnen, von Jordanien aus Hilfsgüter über dem Gazastreifen abzuwerfen. Und heute kann ich ankündigen, dass wir das EU-Katastrophenschutzverfahren aktiviert haben, um unsere Unterstützung zu verstärken. Und ich rufe alle Mitgliedstaaten auf, mit ihren Mitteln einen Beitrag zu leisten, von Fallschirmen bis hin zu Containern, um kontinuierliche und sinnvolle Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu ermöglichen.

Allein in diesem Jahr hat die Europäische Kommission 250 Mio. EUR an Unterstützung für die palästinensische Bevölkerung bereitgestellt. Aber die Hilfe muss auch bei der bedürftigen Zivilbevölkerung ankommen. Und die Bereitstellung vor Ort erweist sich als ausgesprochen schwierig. Ende Februar war das Welternährungsprogramm aufgrund der Sicherheitslage gezwungen, seine Tätigkeit im Norden des Gazastreifens einzustellen. In vielen Fällen streiten sich die Menschen nun um die Hilfsgüter. Und wir alle haben die dramatischen Bilder gesehen. Wir müssen für eine sichere Verteilung der Hilfe im Gazastreifen sorgen. Deshalb ist es umso wichtiger, mit den Organisationen zusammenzuarbeiten, die noch vor Ort präsent sind, zum Beispiel mit dem UNRWA. Wir kennen alle die schwerwiegenden Vorwürfe, die im Januar gegen UNRWA-Personal erhoben wurden. Deshalb haben wir beschlossen, unsere Finanzierungsbeschlüsse vor dem Hintergrund der Maßnahmen zu bewerten, die die Vereinten Nationen und das UNRWA als Reaktion auf diese Vorwürfe ergriffen haben. Seitdem haben die Vereinten Nationen eine interne Untersuchung durchgeführt und eine unabhängige Gutachtergruppe unter der Leitung von Catherine Colonna eingesetzt. Das UNRWA hat ferner einer Prüfung durch externe Sachverständige zugestimmt, die von der Europäischen Union eingesetzt werden. Daher werden wir 50 Mio. EUR an Unterstützung für das UNRWA auszahlen. Die nächsten Tranchen werden freigegeben, sobald das Hilfswerk die weiteren Schritte unternimmt, auf die wir uns gemeinsam verständigt haben. All dies verfolgt ein einfaches Ziel: Jeder Euro, den wir einsetzen, soll nach unseren Regeln ausgegeben werden und die hilfsbedürftige palästinensische Bevölkerung erreichen.

Aber unter den derzeitigen Umständen wird Hilfe allein die Krise nicht lösen. Natürlich hat Israel das Recht, sich zu verteidigen und die Hamas zu bekämpfen. Aber der Schutz der Zivilbevölkerung muss im Einklang mit dem Völkerrecht jederzeit gewährleistet werden. Und derzeit gibt es nur einen Weg, wie wir wieder dafür sorgen können, dass ausreichend humanitäre Hilfe ankommt. Die Menschen im Gazastreifen brauchen eine sofortige humanitäre Pause, die zu einem nachhaltigen Waffenstillstand führen würde. Und sie brauchen diese Pause jetzt.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

wir dürfen nicht vergessen, dass die reale Gefahr einer weiteren Eskalation besteht. Die Situation an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon ist nach wie vor hochbrisant. Iran – also die Schutzmacht der Hamas – hat die Spannungen in der Region weiter angeheizt, zum Beispiel durch Unterstützung der Huthi-Milizen im Jemen. Und wir wissen, dass der Iran Russlands Krieg gegen die Ukraine weiter befeuert. Lassen Sie mich Ihnen versichern, dass wir bereit sind, weitere Sanktionen zu verhängen, falls der Iran ballistische Raketen an Russland liefert, wie kürzlich berichtet wurde. Ohne einen tragfähigen Waffenstillstand könnte sich der Krieg im Gazastreifen auf die gesamte Region ausweiten. Jetzt ist der Zeitpunkt, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten unsere Anstrengungen zu verstärken. Damit die Geiseln nach Hause zurückkehren können. Und damit die Menschen im Gazastreifen nicht nur humanitäre Hilfe erhalten, sondern auch wieder Hoffnung schöpfen können, mit der Perspektive einer Zweistaatenlösung.

Meine Damen und Herren Abgeordnete,

das zweite Thema, das ich ansprechen möchte, ist die Erweiterung, wobei ich den Schwerpunkt auf den Westbalkan legen möchte. In den letzten Jahren haben wir einen Gang höhergeschaltet. Wir haben gemerkt, dass es nicht reicht, wenn wir einfach nur darauf warten, dass sich der Westbalkan uns annähert. Es reicht nicht, zu sagen, dass die Tür offensteht. Wir müssen auch Verantwortung übernehmen und diese Länder auf dem Weg in unsere Union nach Kräften unterstützen.

Deshalb haben wir unseren Wachstumsplan für den Westbalkan aufgestellt. Deshalb haben wir Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien eröffnet und deshalb haben wir uns verpflichtet, auch mit Bosnien und Herzegowina Verhandlungen aufzunehmen. Heute legen wir, das College, einen Bericht über die Fortschritte vor, die Bosnien und Herzegowina gemacht hat. Eine Bestandsaufnahme der jüngsten Entwicklungen. Daraus ergibt sich ein klares Bild. Seit wir dem Land Kandidatenstatus zuerkannt haben, hat es beeindruckende Schritte auf uns zu gemacht. In gerade einmal etwas mehr als einem Jahr wurden größere Fortschritte erzielt als zuvor in über zehn Jahren. Erstens hat sich Bosnien und Herzegowina nun vollständig an unsere Außen- und Sicherheitspolitik angeglichen, was in diesen Zeiten geopolitischer Verwerfungen von entscheidender Bedeutung ist. Zweitens ist das Land dabei, wichtige Gesetze zu verabschieden, wie das Gesetz zur Vermeidung von Interessenkonflikten, das sieben Jahre lang feststeckte und jetzt verabschiedet wurde, und das Gesetz zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Drittens gibt es weitere Verbesserungen bei der Steuerung von Migrationsströmen, und die Verhandlungen über eine Frontex-Vereinbarung können beginnen, sobald der Ratsvorsitz den Verhandlungsrahmen gebilligt hat. Viertens hat das Justizministerium zugestimmt, die Urteile des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien in das Strafregister des Landes aufzunehmen. Und fünftens hat gerade ein neuer Lenkungsausschuss zur Friedenskonsolidierung seine Arbeit aufgenommen, um Dialog und Aussöhnung zu fördern.

Natürlich bedarf es weiterer Fortschritte, um in unsere Union aufgenommen zu werden. Aber das Land zeigt, dass es die Beitrittskriterien erfüllen kann und die Bestrebungen seiner Bürgerinnen und Bürger unterstützt, Teil unserer Familie zu werden. Aus diesem Grund werden wir heute beschließen, dem Rat die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Bosnien und Herzegowina zu empfehlen.

Die Botschaft, die Bosnien und Herzegowina aussendet, ist klar. Deshalb muss auch unsere Botschaft klar sein. Die Zukunft von Bosnien und Herzegowina liegt in unserer Union.

Vielen Dank, es lebe Europa!

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
12. März 2024
Autor
Vertretung in Luxembourg