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Vertretung in Luxemburg
  • Erklärung
  • 8. November 2023
  • Vertretung in Luxembourg
  • Lesedauer: 5 Min

Erklärung von Präsidentin von der Leyen

Guten Tag,

Heute hat das Kollegium den Erweiterungsbericht angenommen. Die Proteste auf dem Maidan-Platz begannen vor zehn Jahren – die Maidan-Proteste, bei denen Menschen erschossen wurden, weil sie sich in eine europäische Flagge gehüllt hatten. Und nun, zehn Jahre später, ist heute ein historischer Tag, weil die Kommission heute dem Rat empfiehlt, Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und der Republik Moldau aufzunehmen. Außerdem empfiehlt die Kommission die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Bosnien und Herzegowina, sobald die Beitrittskriterien im erforderlichen Maß erfüllt sind. Und die Kommission empfiehlt dem Rat, Georgien den Status eines Beitrittskandidaten unter der Voraussetzung zu gewähren, dass bestimmte Reformschritte unternommen werden.

Lassen Sie mich etwas näher auf diese vier Länder eingehen: Zuerst die Ukraine. Die Ukraine erleidet weiterhin enorme Not und Tragödien, die durch den Angriffskrieg Russlands verursacht werden. Dennoch, obwohl sie einen für sie existenziellen Krieg führen müssen, treiben die Ukrainerinnen und Ukrainer tiefgreifende Reformen in ihrem Land voran. Weit über 90 % der erforderlichen Schritte, die wir letztes Jahr in unserem Bericht dargelegt hatten, hat die Ukraine abgeschlossen – ich war am Wochenende dort und habe mich selbst davon überzeugt. Nur um Ihnen eine Vorstellung davon zu geben: Wesentliche Fortschritte wurden in Bezug auf die Reform der Verfassungsjustiz erzielt; die Besetzung des Hohen Justizrates; das Antikorruptionsprogramm; Fortschritte bei der Bekämpfung der Geldwäsche; wichtige Maßnahmen, um den Einfluss der Oligarchen auf das öffentliche Leben einzudämmen; das neue Mediengesetz; und Fortschritte in Bezug auf nationale Minderheiten. Die verbleibenden Reformen sind bereits auf dem Weg – das ist gut – und die Kommission begrüßt diese Bemühungen. Auf dieser Grundlage haben wir dem Rat heute empfohlen, Beitrittsverhandlungen aufzunehmen. Zudem empfehlen wir dem Rat, einen Verhandlungsrahmen anzunehmen, sobald die Ukraine die laufenden Reformen durchgeführt hat. Darüber werden wir dem Rat dann bis März 2024 Bericht erstatten.

Moldau ist zwar nicht in einen wirklichen Krieg verwickelt, ist aber ständigen Destabilisierungsversuchen gegen seine Demokratie ausgesetzt. Außerdem leidet das Land unter den Folgen des Krieges in der Ukraine. Moldau nimmt eine große Anzahl ukrainischer Flüchtlinge auf. Moldau ist mit Störungen und Erpressungen in Bezug auf sein Energiesystem konfrontiert. Aber wie die Ukraine hat auch Moldau beträchtliche Reformbemühungen unternommen, zum Beispiel im Bereich der Justiz. Das Land hat die Ermittlungen im Zusammenhang mit Korruption und organisierter Kriminalität erheblich intensiviert. Es hat seine Gesetze geändert, um gegen Partikularinteressen vorzugehen. Auch hier empfiehlt die Kommission dem Rat die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Einige verbleibende Maßnahmen müssen noch zu Ende gebracht werden. Auch hier könnte der Rat dann den Verhandlungsrahmen abstecken. Und die Kommission wird dem Rat bis März 2024 über die Fortschritte Bericht erstatten.

Nun zu Bosnien und Herzegowina: Wir erkennen eine Reihe positiver politischer und rechtlicher Schritte an. Zum Beispiel den raschen Amtsantritt eines neuen Ministerrats im Januar 2023. Das Engagement der politischen Parteien für das Beitrittsziel hat zweifellos positive Ergebnisse hervorgebracht. Es gibt Fortschritte beispielsweise bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, der Geldwäsche und des Terrorismus. Aber wir nehmen auch mit Besorgnis die verschiedenen verfassungswidrigen Gesetze zur Kenntnis, die von den Vertretern der Republika Srpska beschlossen wurden. Vor diesem Hintergrund empfiehlt die Kommission dem Rat die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen, sobald die Beitrittskriterien im erforderlichen Maß erfüllt sind. Auch hierüber wird die Kommission dem Rat bis März 2024 Bericht erstatten.

In Bezug auf Georgien, schließlich, unterstützt das Kollegium voll und ganz das echte Bestreben der überwältigenden Mehrheit der georgischen Bürgerinnen und Bürger, der Europäischen Union beizutreten. Dieses Bestreben muss von den Behörden besser zur Geltung gebracht werden, die in Fragen von nationalem Interesse stärker auf die Opposition und die Zivilgesellschaft zugehen sollten. Und die Regierung muss weitere Fortschritte bei den 12 Prioritäten erzielen, die im vergangenen Jahr festgelegt wurden, bevor der Kandidatenstatus gewährt werden kann. Die Kommission erkennt aber auch eine Reihe positiver Schritte an. So wurden beispielsweise die Kontrollmöglichkeiten der Opposition in der parlamentarischen Arbeit gestärkt; es wurde ein Aktionsplan zur Deoligarchisierung angenommen; der personalisierte Ansatz wurde zurückgezogen; und es wurde ein Amt für Korruptionsbekämpfung eingerichtet. Deshalb empfiehlt die Kommission, Georgien den Kandidatenstatus unter der Voraussetzung zu gewähren, dass die Regierung weitere wichtige Reformschritte unternimmt.

Generell ist die Erweiterung für die Europäische Union von größter Bedeutung. Dies ist meine Hauptbotschaft seit dem Beginn meines Mandats. Die Vollendung unserer Union ist der Ruf der Geschichte, der natürliche Horizont unserer Union. Die Bürgerinnen und Bürger der beitrittswilligen Länder sind Europäer – genauso wie die der heutigen Union. Denn wir alle wissen, dass Geografie, Geschichte und gemeinsame Werte uns verbinden. Die Vollendung unserer Union hat auch eine starke wirtschaftliche und geopolitische Logik. Wenn Sie sich die Geschichte der letzten Erweiterungsrunden anschauen, werden Sie sehen, dass die Erweiterungen sowohl für die Länder, die der Europäischen Union beigetreten sind, als auch für die Europäische Union selbst nachweislich enorme Vorteile gebracht haben. Im Grunde gewinnen wir alle. Sie können das bei den neuen Mitgliedern mit ihren Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen sehen; sie genießen unsere vier Freiheiten, haben Zugang zu unserem Binnenmarkt, die Bürgerinnen und Bürger können reisen und die Unternehmen neue Märkte erschließen. Und all dies ist eine mächtige Triebkraft zur Steigerung des Wohlstands und damit der Stabilität in diesen Ländern.

Aber auch für die Europäische Union selbst sind die Vorteile sehr klar ersichtlich und beeindruckend. Die Ausdehnung unseres Binnenmarktes bringt Größenvorteile für unsere Unternehmen, sie erhöht unsere Wettbewerbsfähigkeit und stärkt damit unseren Binnenmarkt. Unsere Erweiterungen sind eine beispiellose wirtschaftliche Erfolgsgeschichte. Auch wenn Sie sich die weltweite Attraktivität der Europäischen Union ansehen, hat die Erweiterung sie noch gesteigert. Und sie hat natürlich auch unsere Position als Handelspartner gestärkt. So macht der gemeinsame Gaseinkauf der 27 einen großen Unterschied für den Erfolg auf diesem Gebiet aus. Die Erweiterung ist auch eine Investition in unsere Sicherheit. Denn die Aufnahme neuer Mitglieder in die Europäische Union schützt diese auch vor ausländischer Einmischung und stabilisiert damit unsere Nachbarschaft. In Zeiten, in denen die regelbasierte Weltordnung zunehmend in Frage gestellt wird, hat natürlich eine größere und stärkere Europäische Union auch eine stärkere Stimme in der Welt. Zusammenfassend ist die Erweiterung eine einzigartige Gelegenheit sowohl für die Länder, die den Beitritt zur Europäischen Union anstreben, als auch für uns selbst. Sie wirkt als ein Motor für Frieden und Wohlstand, der unsere Union so besonders macht.

Vielen Dank.

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
8. November 2023
Autor
Vertretung in Luxembourg