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Vertretung in Luxemburg
Erklärung24. Februar 2023Vertretung in LuxembourgLesedauer: 4 Min

Erklärung von Präsidentin von der Leyen auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit der estnischen Premierministerin Kaja Kallas und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg

Ukrainian and European Union flags in front of the Berlaymont 

Sehr geehrte Frau Premierministerin,

sehr geehrter Herr Generalsekretär, lieber Jens,

liebe Kaja, vielen Dank, dass Sie uns an diesem besonderen Tag in Tallinn empfangen. An dem Tag, an dem Estland vor 105 Jahren seine Unabhängigkeit erklärt hat. Die Entschlossenheit Estlands, ein freies und unabhängiges Land zu bleiben, wurde immer wieder auf die Probe gestellt. Doch am 20. August 1991 wurde die Unabhängigkeit endlich voll wiederhergestellt. Ich möchte den berühmten ehemaligen Präsidenten von Estland, Lennart Meri, zitieren, der sagte: „Europa steht nicht für Geografie. Europa steht für eine Einheit der Grundsätze und die Treue zu ihnen. Grundsätze prägen die Geografie, nicht anders herum.“ Dies ist eine Wahrheit, die Putin nie verstanden hat.

Ein Jahr ist seit dem Beginn seines brutalen Krieges vergangen, und Putin hat kein einziges seiner strategischen Ziele erreicht. Anstatt die Europäische Union zu spalten, sieht er uns geeint und entschlossen, der Ukraine so lange zur Seite zu stehen wie nötig. Anstatt den globalen Energiemarkt zu dominieren, ist seine Haupteinnahmequelle geschrumpft. Anstatt die Ukraine von der Landkarte zu wischen, ist er mit einer Nation konfrontiert, die dynamischer ist denn je. Die Ukraine verkörpert den Mut einer Nation, die in ihrem Streben nach Freiheit nie nachlassen wird. Wir haben das an jedem der 365 Tage seit Beginn dieses schrecklichen Krieges bezeugen können. Und so wie Estland sich stolz als freier und unabhängiger Staat präsentiert, wird sich auch die Ukraine durchsetzen. Die Ukraine wird sich durchsetzen, weil die Ukrainerinnen und Ukrainer sich weder verunsichern lassen noch zurückweichen werden. Und die Ukraine wird sich durchsetzen, weil Europa und seine Partner und Verbündeten die Stellung halten werden.

Aber der Kampf geht auch nach einem Jahr noch weiter. Und Putin hat den Einsatz erhöht. Er entsendet Hunderttausende junger Russen als Kanonenfutter in die Schützengräben in der Ukraine. Was wir Anfang dieser Woche aus Moskau gesehen und gehört haben, verrät uns, dass die Verzweiflung, die Täuschung und die Desinformation in gleichem Maße zunehmen wie die Verluste auf dem Schlachtfeld. Dies zeigt, unter welch einem Druck Putins Regime steht. Es bringt aber auch eine reale neue Gefahr für die Ukraine mit sich. Darum ist es jetzt an der Zeit, unsere Anstrengungen zu intensivieren. Wir müssen der Ukraine weiterhin die Mittel zu ihrer Verteidigung liefern, bis die Russen diesen Krieg beenden und die Ukraine verlassen.

Aus diesem Grund stehen wir der Ukraine zur Seite und sind ebenso entschlossen wie zuvor, die Ukraine finanziell, wirtschaftlich und militärisch zu unterstützen, unsere eigenen Verteidigungskapazitäten zu stärken und den Druck auf Russland zu erhöhen und es zur Rechenschaft zu ziehen. Russland ist zunehmend isoliert. Ich denke, die gestrige Abstimmung in der Generalversammlung der Vereinten Nationen war sehr aufschlussreich: 141 Länder stimmten für die Resolution, in der Russland verurteilt wird. Russland entwickelt sich zurück zu einer autarkischen Wirtschaft, die von der Welt abgeschnitten ist. Unsere Sanktionen schwächen seine wirtschaftliche Basis massiv und schmälern die Aussichten auf ihre Modernisierung. Wir werden weiterhin Druck auf Russland und diejenigen ausüben, die es auf dem Schlachtfeld unterstützen. Wir werden auch weiter gegen Putins Kumpane vorgehen. Und wir werden gegen all jene vorgehen, die Russland dabei helfen, die Sanktionen zu umgehen oder sein Kriegsarsenal aufzufüllen.

Gleichzeitig arbeiten wir daran, die wirtschaftliche und militärische Widerstandsfähigkeit der Ukraine zu gewährleisten. Zum einen mit fortgesetzter finanzieller Unterstützung. Bislang haben wir 67 Mrd. EUR mobilisiert. Zum anderen mit verstärkter militärischer Unterstützung. Wir wollen 30 000 ukrainische Soldaten in der Europäischen Union ausbilden. Unsere Mitgliedstaaten liefern militärische Ausrüstung. Und wir werden mit der gemeinsamen Beschaffung beginnen, um dringend benötigte militärische Ausrüstung für die Ukraine zu liefern, wie etwa Munition des Kalibers 155 mm. Ebenso wichtig ist es, mit unserer Rüstungsindustrie zusammenzuarbeiten, um die Produktion dieser Munition und anderer Ausrüstung, die von den ukrainischen Streitkräften, aber auch zur Auffüllung unserer Bestände benötigt werden, hochzufahren. Liebe Kaja, Sie haben auf der letzten Tagung des Europäischen Rates zu Recht darauf hingewiesen. Und wir handeln nun.

Schließlich geht es nicht nur darum, auf dem Schlachtfeld zu siegen. Die Ukrainerinnen und Ukrainer kämpfen für ihr Recht, ihre eigene Zukunft zu bestimmen. Und sie haben sich bereits entschieden. Für die Europäische Union. Sie haben sich für die – wie Präsident Lennart Meri sagte – Einheit der Grundsätze entschieden. Die ukrainischen Soldaten, die in den Schützengräben von Bakhmut kämpfen, verteidigen diese Einheit der Grundsätze. Und in diesen dunklen Zeiten tröstet auch die Zuversicht, dass das Land eines Tages der Europäischen Union beitreten wird, die Menschen in der Ukraine. So prägen Grundsätze die Geografie.

Liebe Kaja,

ich bin stolz darauf, heute hier in Tallinn gemeinsam mit Ihnen, Kaja, und Ihnen, Jens, die Freiheit und Unabhängigkeit Estlands zu feiern. Und ich bin stolz darauf, dass wir hier gemeinsam stehen, um das ukrainische Volk und seinen Kampf für Freiheit und Unabhängigkeit zu unterstützen. Ich bin sicher, dass sich die Ukraine durchsetzen wird, ebenso wie es das estnische Volk getan hat.

Vielen Dank.

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
24. Februar 2023
Autor
Vertretung in Luxembourg