Die Kommission schlägt heute vor, die Vorschriften für die außergerichtliche Streitbeilegung zu modernisieren und zu vereinfachen, um sie an die digitalen Märkte anzupassen. Der Vorschlag sieht eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Richtlinie über die alternative Beilegung von Streitigkeiten vor, um u. a. Streitigkeiten im Zusammenhang mit irreführender Werbung, dem Zugang zu Diensten und ungerechtfertigtem Geoblocking außergerichtlich beilegen zu können. Damit Verbraucherinnen und Verbraucher leichter von dieser Möglichkeit Gebrauch machen können, sollen benannte Stellen wie das Netzwerk der Europäischen Verbraucherzentren ihnen die Verfahren für die alternative Streitbeilegung näherbringen und bei deren Nutzung helfen. Ein weiteres Ziel des Vorschlags besteht darin, die Verfahren zu beschleunigen.
Darüber hinaus hat die Kommission heute eine Empfehlung angenommen, um die Streitbeilegungssysteme auf Online-Marktplätzen an die europäischen Standards für eine faire und effiziente alternative Streitbeilegung anzupassen. Um als fair und effizient zu gelten, muss ein Verfahren zur alternativen Streitbeilegung u. a. aus transparenten Verfahrensschritten bestehen und sicherstellen, dass die Mediatoren unabhängig und frei von finanziellen Interessenkonflikten sind. Darüber hinaus werden in der Empfehlung bewährte Verfahren zur Beilegung grenzüberschreitender Streitigkeiten skizziert, die von den EU-Handelsverbänden umzusetzen sind.
Mit den neuen Vorschriften verbundene Verbesserungen
- Ausweitung des Anwendungsbereichs der Richtlinie: Die Richtlinie wird sich auf alle Aspekte des EU-Verbraucherrechts erstrecken und auch für Händler außerhalb der EU von Belang sein, da sie unlautere Praktiken wie manipulative Benutzerschnittstellen, manipulative Werbung oder Geoblocking-Vorschriften angeht. Nach Änderung der Richtlinie wird gegen derartige Praktiken, die derzeit nicht in ihren Anwendungsbereich fallen, künftig im Rahmen der alternativen Streitbeilegung vorgegangen werden können.
- Anreize für die Teilnahme von Unternehmen: Dem Vorschlag zufolge soll es den Unternehmen auch weiterhin freistehen, an alternativen Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen oder nicht, es sei denn, spezielle EU- oder nationale Vorschriften schreiben die Teilnahme von Händlern an der außergerichtlichen Streitbeilegung vor. Wird eine alternative Streitbeilegung allerdings von einer Verbraucherin oder einem Verbraucher beantragt, muss das betreffende Unternehmen innerhalb von 20 Arbeitstagen eine Antwort geben. Dies wird das gesamte Verfahren beschleunigen und die Händler ermutigen, an dem Verfahren teilzunehmen. Darüber hinaus werden die Informationspflichten für Händler verringert.
- Verbesserte Hilfestellung für Verbraucherinnen und Verbraucher: Verbraucherinnen und Verbraucher, insbesondere die hilfsbedürftigsten unter ihnen, werden bei der Einleitung ihres Verfahrens maßgeschneiderte Hilfe erhalten, die von Übersetzungen über Erläuterungen zu Verfahren und Gebühren bis hin zu physischen Unterlagen reicht. Die Mitgliedstaaten werden Kontaktstellen benennen, die die Kommunikation zwischen Verbrauchern und Händlern erleichtern, bei diesem Prozess Hilfestellung leisten und allgemeine Informationen über Verbraucherrechte und Rechtsbehelfe in der EU erteilen sollen.
Nächste Schritte
Der Kommissionsvorschlag muss vom Europäischen Parlament und vom Rat verabschiedet werden.
Hintergrund
Nach dem Verbraucherbarometer 2023 hatte ein Viertel der Verbraucher ein Problem, das eine Beschwerde gerechtfertigt hätte, doch unternahm ein Drittel hiervon nichts und begründete dies mit langwierigen Verfahren, geringem Streitwert oder geringem Vertrauen in eine zufriedenstellende Lösung. Aus diesem Grund fallen in der EU jährlich nur 300 000 Streitfälle in den Anwendungsbereich der Richtlinie.
Die von der Kommission durchgeführte Folgenabschätzung hat ergeben, dass mit der vorgeschlagenen Ausweitung des Anwendungsbereichs 100 000 weitere Streitfälle unter die Richtlinie fallen könnten. Durch die Verpflichtung der Unternehmen zur Erteilung einer Antwort könnte sich diese Zahl um weitere 100 000 erhöhen.
Im Vorschlag der Kommission wird am Ansatz der Mindestharmonisierung festgehalten. Über die Architektur und Steuerungsstruktur der alternativen Streitbeilegung auf nationaler Ebene werden die Mitgliedstaaten auch weiterhin frei entscheiden können, doch müssen sie die vollständige Erfassung von Streitigkeiten mit Verbraucherschutzbezug sicherstellen. Die Kommission wird die derzeitige mehrsprachige Liste der für die alternative Streitbeilegung zuständigen Stellen weiterführen.
Die Kommission gewährt den in diesem Bereich tätigen Stellen jährliche Zuschüsse, um die Sensibilisierung und die Fallbearbeitung zu verbessern. Laut Vorschlag sollten die Beteiligten jedoch darauf hingewiesen werden, ob der Prozess in Teilen automatisiert ist und ob inklusive Instrumente genutzt werden müssen, die gewährleisten, dass Verbraucher ohne digitale Kompetenzen nicht benachteiligt werden.
Weitere Informationen
Alternative Streitbeilegung für Verbraucher (europa.eu)
Netz der europäischen Verbraucherzentren
Umfrage zur Erstellung des Verbraucherbarometers 2021
Liste der für die alternative Streitbeilegung zuständigen Stellen
Bericht über die Anwendung der Richtlinie über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und der Verordnung über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten
Bericht über die Folgenabschätzung (1/2) zum Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten sowie der Richtlinien (EU) 2015/2302, (EU) 2019/2161 und (EU) 2020/1828
Bewertung - Bericht über die Folgenabschätzung (2/2) zum Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2013/11/EU über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten sowie der Richtlinien (EU) 2015/2302, (EU) 2019/2161 und (EU) 2020/1828
Online-Streitbeilegung Europäische Kommission (europa.eu).
Zitate
Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen das Gefühl haben, dass ihnen geholfen wird. Nur weniger als zwei Drittel von ihnen werden bei Problemen tätig. Oft sind sie der Meinung, dass Streitbeilegungsverfahren zu langwierig sind und ihr Problem ohnehin nicht lösen können. Wir wollen die Verfahren beschleunigen und die Unternehmen dazu verpflichten, innerhalb von 20 Tagen auf Anträge zur Einschaltung eines Mediators oder einer Schiedsstelle zu antworten. Diese Initiative wird das Vertrauen der Verbraucher in die wachsenden digitalen Märkte in Europa stärken. Zugleich wird der Aufwand für die Unternehmen verringert, da die Informationspflicht entfällt.
Věra Jourová, Vizepräsidentin für Werte und Transparenz - 17/10/2023
Verbraucherinnen und Verbraucher sollten niemals durch komplexe oder zu kostspielige Verfahren von Rechtsmitteln abgehalten werden. Auch für die Unternehmen ist die außergerichtliche Streitbeilegung mit klaren Vorteilen verbunden, da sie dadurch ihre Gerichtskosten niedrig halten und sich einen guten Ruf im Binnenmarkt erwerben können. Ich fordere die Online-Marktplätze mit Streitbeilegungsmechanismen dazu auf, zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen: Handeln Sie verantwortungsvoll und wenden Sie bei Ihrer abschließenden Entscheidung alle Qualitätskriterien an.
Didier Reynders, Kommissar für Justiz - 17/10/2023
Einzelheiten
- Datum der Veröffentlichung
- 17. Oktober 2023
- Autor
- Vertretung in Luxembourg