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Vertretung in Luxemburg
Presseartikel5. März 2024Vertretung in LuxembourgLesedauer: 7 Min

Erste Industriestrategie für den Verteidigungsbereich und neues Programm für die Verteidigungsindustrie zur Verbesserung der Bereitschaft und Sicherheit Europas

Die Europäische Kommission und der Hohe Vertreter haben heute die erste europäische Industriestrategie für den Verteidigungsbereich auf EU-Ebene präsentiert und ehrgeizige neue Maßnahmen zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit und der Bereitschaft der Verteidigungsindustrie in der EU vorgeschlagen.

Vor zwei Jahren hat Russlands ungerechtfertigter und nach wie vor anhaltender Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen. Seitdem wird auf unserem Kontinent erneut ein Konflikt hoher Intensität ausgetragen. In der europäischen Industriestrategie für den Verteidigungsbereich (EDIS) ist eine klare, langfristige Vision für die künftige industrielle Bereitschaft im Verteidigungsbereich in der Europäischen Union dargelegt. Die Europäische Kommission präsentiert heute als erstes unmittelbares und zentrales Element zur Umsetzung der Strategie einen Legislativvorschlag über ein Programm für die europäische Verteidigungsindustrie (EDIP) und einen Rahmen für Maßnahmen zur Gewährleistung der rechtzeitigen Verfügbarkeit und Lieferung von Verteidigungsgütern.

In der Strategie wird dargelegt, mit welchen Herausforderungen die technologische und industrielle Basis der europäischen Verteidigung (EDTIB) derzeit konfrontiert ist, aber auch die mit der Ausschöpfung des vollen Potenzials der EDTIB verbundene Chance thematisiert und die Richtung für das nächste Jahrzehnt vorgegeben. Damit die industrielle Bereitschaft im Verteidigungsbereich in Europa gesteigert wird, müssen die Mitgliedstaaten mehr, bessergemeinsam und in Europa investieren. Zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Verwirklichung dieser Ziele wird im Rahmen der europäischen Industriestrategie für den Verteidigungsbereich eine Reihe von Maßnahmen vorgestellt, die darauf abzielen,

  • eine effizientere Bekundung der seitens der Mitgliedstaaten bestehenden kollektiven Nachfrage im Verteidigungsbereich zu fördern. Diese Maßnahme wird auf bestehenden Instrumenten und Initiativen wie dem Fähigkeitenentwicklungsplan (CDP), der Koordinierten Jährlichen Überprüfung der Verteidigung und der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (SSZ) beruhen. Unterstützt wird dies durch Anreize für die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in der Phase der Beschaffung von Verteidigungsfähigkeiten;
  • die Verfügbarkeit sämtlicher Verteidigungsgüter durch eine reaktionsfähigere EDTIB unter allen Umständen und in jedem Zeithorizont zu gewährleisten. Investitionen der Mitgliedstaaten und der europäischen Verteidigungsindustrie zur Entwicklung und Markteinführung modernster und zukunftsweisender Verteidigungstechnologien und -fähigkeiten werden gefördert. Ferner werden Maßnahmen vorgeschlagen, mit denen sichergestellt wird, dass die EDTIB selbst in Krisenzeiten über alles verfügt, was zur Verbesserung der Versorgungssicherheit der EU notwendig ist;
  • zu gewährleisten, dass die Anpassung der europäischen Verteidigungsindustrie an den neuen Sicherheitskontext mit den erforderlichen Mitteln aus den nationalen Haushalten und dem EU-Haushalt unterstützt wird;
  • eine Kultur der Verteidigungsbereitschaft in allen Politikbereichen zu etablieren, indem insbesondere eine Überprüfung der Darlehenspolitik der Europäischen Investitionsbank in diesem Jahr gefordert wird;
  • engere Beziehungen zur Ukraine durch deren Einbeziehung in Initiativen der Union zur Unterstützung der Verteidigungsindustrie zu entwickeln und die Zusammenarbeit zwischen der Verteidigungsindustrie der EU und der Ukraine zu fördern;
  • mit der NATO und unseren strategischen, gleich gesinnten und internationalen Partnern zu kooperieren und enger mit der Ukraine zusammenzuarbeiten.

In der Strategie werden Indikatoren festgelegt, mit denen die von den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die industrielle Bereitschaft im Verteidigungsbereich erzielten Fortschritte gemessen werden sollen. Die Mitgliedstaaten sind dazu aufgerufen,

  • bis 2030 mindestens 40 % der Verteidigungsgüter auf kooperative Weise zu beschaffen;
  • dafür zu sorgen, dass der EU-interne Handel mit Verteidigungsgütern bis 2030 wertmäßig mindestens 35 % des EU-Verteidigungsmarkts ausmacht;
  • sich dem Ziel, bis 2030 mindestens 50 % ihres Beschaffungshaushalts im Verteidigungsbereich innerhalb der EU auszugeben und diesen Anteil bis 2035 auf 60 % zu steigern, ständig anzunähern.

Das Programm für die europäische Verteidigungsindustrie (EDIP) wird als neue Gesetzgebungsinitiative eine Brücke zwischen kurzfristigen Sofortmaßnahmen, die 2023 angenommen wurden und 2025 auslaufen, und einem stärker strukturierten und längerfristigen Ansatz für die künftige industrielle Bereitschaft im Verteidigungsbereich schlagen. Auf diese Weise wird die kontinuierliche Unterstützung der technologischen und industriellen Basis der europäischen Verteidigung parallel zur raschen Anpassung an die neue Realität gewährleistet.

Das EDIP umfasst sowohl finanzielle als auch regulatorische Aspekte und wird im Zeitraum 2025-2027 Mittel in Höhe von 1,5 Mrd. EUR aus dem EU-Haushalt zur weiteren Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der EDTIB mobilisieren. Die finanzielle Unterstützung aus dem EDIP wird insbesondere die Interventionslogik der Instrumente EDIRPA (finanzielle Unterstützung aus dem EU-Haushalt als Kompensation der komplexen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten in der Beschaffungsphase) und ASAP (finanzielle Unterstützung der Verteidigungsindustrie zur Steigerung ihrer Produktionskapazität) ausweiten und Investitionen der EDTIB weiter ankurbeln. Das EDIP wird auch die Heranführung von Produkten an die Industriereife unterstützen, die auf Kooperationsmaßnahmen im Bereich FuE zurückgehen, für die Mittel aus dem Europäischen Verteidigungsfonds bereitgestellt wurden. Die EDIP-Mittel können auch für die Einrichtung eines Fonds zur Beschleunigung der Transformation der Lieferketten im Verteidigungsbereich (FAST) eingesetzt werden. Dank dieses neuen Fonds sollen KMU und kleine Midcap-Unternehmen, die sich mit Verteidigungstechnologien und/oder der Herstellung von Verteidigungsgütern befassen, leichteren Zugang zu Fremd- und/oder Beteiligungsfinanzierungen erhalten. Durch die EDIP-Mittel werden auch die industrielle Zusammenarbeit zwischen der EU und der Ukraine im Verteidigungsbereich und die Entwicklung ihrer industriellen und technologischen Basis im Verteidigungsbereich unterstützt. Zu diesem Zweck könnten für das EDIP möglicherweise zusätzliche Mittel bereitgestellt werden, die aus den Zufallsgewinnen stammen, die mit eingefrorenem russischem Staatsvermögen erzielt wurden (sofern der Rat einen entsprechenden, auf einem Vorschlag des Hohen Vertreters beruhenden Beschluss erlässt).

Was die regulatorischen Aspekte betrifft, so sieht das EDIP neuartige Lösungen vor. Es wird mit dem neuen Rechtsrahmen – der Struktur für das europäische Rüstungsprogramm (SEAP) – die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Bereich der Verteidigungsgüter erleichtern und ausweiten sowie den SSZ-Rahmen umfassend ergänzen. Das EDIP wird auch mit einer EU-weiten Regelung für die Versorgungssicherheit bei Verteidigungsgütern den ständigen Zugang zu allen erforderlichen Verteidigungsgütern in Europa gewährleisten und einen Rahmen für eine effiziente Reaktion auf mögliche künftige Versorgungskrisen bei Verteidigungsgütern vorgeben. Darüber hinaus wird es durch das EDIP möglich, europäische Verteidigungsvorhaben von gemeinsamem Interesse mit potenzieller finanzieller Unterstützung durch die EU auf den Weg zu bringen. Schließlich wird mit dem EDIP die Einrichtung einer Governance-Struktur vorgeschlagen, in die die Mitgliedstaaten voll eingebunden sind, um die Kohärenz der EU-Maßnahmen im Bereich der Verteidigungsindustrie insgesamt sicherzustellen (Ausschuss für die industrielle Bereitschaft im Verteidigungsbereich).

Von einer stärkeren und reaktionsfähigeren europäischen Verteidigungsindustrie werden die Mitgliedstaaten und letztlich die Bürgerinnen und Bürger der EU genauso profitieren wie die wichtigsten Partner der EU, zu denen die NATO und die Ukraine gehören.

Weitere Informationen

Fragen und Antworten

Factsheet zur EDIS

Factsheet zum EDIP

Vorschlag für die EDIP-Verordnung

Europäische Industriestrategie für den Verteidigungsbereich

Quote(s)

 

Heute nehmen wir eine europäische Industriestrategie für den Verteidigungsbereich an und legen einen Vorschlag für ein Programm für die europäische Verteidigungsindustrie vor. Damit reagieren wir auf Veränderungen des Sicherheitsparadigmas in Europa. Mit unseren Verteidigungsausgaben werden zu viele verschiedene Waffensysteme beschafft, die in erster Linie aus Nicht-EU-Ländern bezogen werden. Mit den mittlerweile in allen Mitgliedstaaten stark aufgestockten Verteidigungshaushalten sollten wir besser – das heißt gemeinsam und in Europa – investieren, damit wir von einem Krisenreaktionsmodus zu einem Modus der strukturellen Verteidigungsbereitschaft übergehen können. Und dabei soll die Ukraine eng eingebunden werden.

Margrethe Vestager, Exekutiv-Vizepräsidentin, zuständig für das Ressort „Ein Europa für das digitale Zeitalter“

 

Mit seinem brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Russland schwere Kriegshandlungen zurück nach Europa gebracht. Viele Jahrzehnte wurde zu wenig für Verteidigung ausgegeben. Jetzt müssen wir zusammen mehr und besser in die Verteidigung investieren. Eine starke, resiliente und wettbewerbsfähige europäische Verteidigungsindustrie ist eine strategische Notwendigkeit. Ohne sie können wir unsere Verteidigungsbereitschaft nicht stärken. Wir müssen auch unsere Militärhilfe für die Ukraine ausbauen und dafür unter anderem ihre industrielle Basis im Verteidigungsbereich unterstützen. Diese Strategie steht für einen Paradigmenwechsel hin zu einer Union, die ein starker Akteur im Bereich Sicherheit und Verteidigung und ein zuverlässigerer Partner ist, so wie dies mit dem Strategischen Kompass angestrebt wird.

Hoher Vertreter/Vizepräsident Josep Borrell

 

Heute beweisen wir als Europäische Union einmal mehr, dass wir mit Entschlossenheit und Engagement unsere Verteidigung und unsere Unterstützung für die Ukraine verstärken. In der neuen Industriestrategie für den Verteidigungsbereich legt die Union eine klare Vision für die Verbesserung der industriellen Bereitschaft im Verteidigungsbereich dar. Mit dem Programm für die europäische Verteidigungsindustrie präsentiert die Kommission jetzt ein ehrgeiziges Instrument, sodass die konkrete Umsetzung der Strategie unmittelbar beginnen kann. Auf unserem Kontinent kommt es erneut zu Konflikten mit hoher Intensität. Deshalb kann Europa nicht länger damit zuwarten, die Fähigkeit der technologischen und industriellen Basis der europäischen Verteidigung auszubauen, damit mehr und schneller produziert werden kann.

Kommissar Thierry Breton, zuständig für den Binnenmarkt

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
5. März 2024
Autor
Vertretung in Luxembourg