Heute feiert die EU den fünften Jahrestag der europäischen Säule sozialer Rechte auf dem ersten Europäischen Forum für Beschäftigung und soziale Rechte; dabei ziehen wir Bilanz der erzielten Fortschritte und werfen einen Blick in die Zukunft.
Fünf Jahre sind vergangen, seit das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission 2017 auf dem Sozialgipfel in Göteborg die europäische Säule sozialer Rechte proklamiert haben. Seitdem haben die Führungsspitzen der EU, die Sozialpartner und die Organisationen der Zivilgesellschaft die mit der Säule eingegangene Verpflichtung auf dem Sozialgipfel in Porto im Jahr 2021 bekräftigt. Die Kommission hat mehr als 130 Initiativen vorgelegt, um die Säule in den Mitgliedstaaten umzusetzen und ein soziales Europa zu schaffen, das gerecht und inklusiv ist und Chancen für alle bietet.
Das Spektrum dieser Initiativen reicht von Lohntransparenz und Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern, Mindestlöhnen und Investitionen in Kompetenzen über Bekämpfung der Kinderarmut und Mindesteinkommen bis zu Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz.
Nach einer starken sozioökonomischen Erholung von der COVID-19-Pandemie haben die Grundsätze der Säule auch heute nichts von ihrer Dringlichkeit verloren, da viele Haushalte sehr zu kämpfen haben, weil die Preissteigerungen durch die Invasion Russlands in der Ukraine noch verschärft werden.
Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte
Im März 2021 hat die Kommission den Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte vorgelegt. Die allermeisten der im Plan vorgesehenen Maßnahmen wurden von der Kommission bereits angenommen oder eingeleitet. Der 5. Jahrestag der Säule wurde anlässlich des ersten Europäischen Forums für Beschäftigung und soziale Rechte in Brüssel von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dem vormaligen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, Kommissar Schmit und vielen anderen hochrangigen Gästen feierlich begangen.
Die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten haben die im Aktionsplan zur Säule enthaltenen sozialen Ziele der EU für 2030 gebilligt und ihre nationalen Beiträge zur Verwirklichung dieser Ziele vorgelegt. Mit ihrem gemeinsamen Einsatz werden die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass die EU-weiten Ziele erreicht oder sogar übertroffen werden. Die nationalen Ziele sind das Ergebnis eines intensiven Konsultationsprozesses in den Mitgliedstaaten, unter anderem mit Konsultationen wichtiger sozialer Akteure wie den Sozialpartnern, Nichtregierungsorganisationen und lokalen Behörden.
Die drei EU-weiten Ziele, die bis 2030 erreicht werden sollen, sind:
- Mindestens 78 % der 20- bis 64-Jährigen sollten einer Beschäftigung nachgehen.
- Mindestens 60 % aller Erwachsenen sollten jedes Jahr an Fortbildungen teilnehmen.
- Die Zahl der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen sollte im Vergleich zu 2019 um mindestens 15 Millionen verringert werden, darunter mindestens 5 Millionen Kinder.
Folgende Initiativen stehen beispielhaft für die Umsetzung der Säule rund um die drei großen Kapitel Arbeitsmarkt, Arbeitsbedingungen und soziale Inklusion:
Chancengleichheit und gleichberechtigter Zugang zum Arbeitsmarkt
- Der Kompetenzpakt ist eine einzigartige Plattform für die Zusammenarbeit von öffentlichen und privaten Organisationen wie Unternehmen, Berufsbildungsanbietern und Handelskammern, die sich zu konkreten Bildungsangeboten für Arbeitskräfte in ganz Europa verpflichten. Er zählt inzwischen 1000 Mitglieder, die zugesagt haben, zur Ausbildung von 6 Millionen Menschen beizutragen. Der Kompetenzpakt ist ein Kernelement der Europäischen Kompetenzagenda.
- Die Mitgliedstaaten haben Empfehlungen des Rates zu Microcredentials und individuellen Lernkonten angenommen. Die Kommission hat ferner vorgeschlagen, 2023 zum Europäischen Jahr der Kompetenzen auszurufen, um den Investitionen in Kompetenzen in der EU neue Dynamik zu verleihen.
- Die bestehenden Ungleichheiten werden mit der europäischen Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter sowie mehreren anderen Initiativen bekämpft; dazu gehören auch die Unterrepräsentation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt und das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen, die Gegenstand des Vorschlags zur Lohntransparenz, neuer Vorschriften für Geschlechterparität in den Leitungsorganen von Unternehmen und der neuen Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für berufstätige Eltern sind.
- Um die Union der Gleichheit zu stärken, hat die Kommission darüber hinaus einen Aktionsplan gegen Rassismus 2020–2025, eine Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen und einen strategischen Rahmen der EU zur Gleichstellung, Inklusion und Teilhabe der Roma und die allererste EU-Strategie zur Bekämpfung von Antisemitismus und zur Förderung jüdischen Lebens vorgelegt.
- Die Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2021–2030 und der Europäische Rechtsakt zur Barrierefreiheit tragen dazu bei, dass Menschen mit Behinderungen durch Beschäftigung soziale Inklusion und wirtschaftliche Autonomie erreichen, z. B. mit dem Paket zur Verbesserung der Arbeitsmarktchancen von Menschen mit Behinderungen.
- Um die Jugendbeschäftigung zu steigern, hat die Kommission im Juli 2020 ein Paket zur Förderung der Jugendbeschäftigung vorgelegt. Dazu gehörten eine Modernisierung der Jugendgarantie, eine Empfehlung, die die berufliche Aus- und Weiterbildung moderner, attraktiver und flexibler machen soll, und ein neuer Impuls für die Lehrlingsausbildung.
Faire Arbeitsbedingungen
- Die Richtlinie über angemessene Mindestlöhne in der EU ist bereits in Kraft getreten und soll dafür sorgen, dass sich Arbeit lohnt. Mit ihr wird ein Rahmen geschaffen, um die Angemessenheit der Mindestlöhne in Ländern mit gesetzlichen Mindestlöhnen zu verbessern. Außerdem sollen Tarifverhandlungen gefördert sowie die Durchsetzung und Überwachung in allen Mitgliedstaaten verbessert werden.
- Durch ihren Vorschlag für eine Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit wird die Kommission sicherstellen, dass Menschen, die über digitale Arbeitsplattformen arbeiten, die ihnen zustehenden Arbeitnehmerrechte und Sozialleistungen in Anspruch nehmen können. Sie wird auch das nachhaltige Wachstum dieser Plattformen in der EU unterstützen.
- Im strategischen Rahmen der EU für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2021-2027 sind die wichtigsten Maßnahmen dargelegt, die für die Verbesserung der Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den kommenden Jahren erforderlich sind. Um beispielsweise die Exposition gegenüber krebserregendem Asbest wirksam zu verringern, hat die Kommission vorgeschlagen, die Richtlinie über Asbest am Arbeitsplatz zu überarbeiten und einen noch strengeren Grenzwert für die Asbestexposition am Arbeitsplatz einzuführen.
Sozialschutz und soziale Inklusion
- In dem Vorschlag für eine Ratsempfehlung für ein angemessenes Mindesteinkommen zur Gewährleistung einer aktiven Inklusion werden die Mitgliedstaaten dazu aufgefordert, ihre Mindesteinkommensregelungen so zu modernisieren, dass sie Menschen wirksamer aus der Armut herausführen und gleichzeitig die Arbeitsmarktintegration derjenigen fördern, die arbeiten können. Der Rat hat ferner eine Empfehlung zur Sicherstellung eines gerechten Übergangs zur Klimaneutralität angenommen.
- Die Europäische Strategie für Pflege und Betreuung zielt darauf ab, hochwertige, bezahlbare und leicht zugängliche Pflege- und Betreuungsdienste in der gesamten EU zu gewährleisten und sowohl die Situation der Betreuungs- und Pflegebedürftigen als auch die Situation der Betreuenden bzw. Pflegenden zu verbessern. Sie enthält Vorschläge für Empfehlungen des Rates zur Überarbeitung der Barcelona-Ziele zur frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung und zum Zugang zu bezahlbarer und hochwertiger Langzeitpflege.
- Die Mitgliedstaaten haben den Vorschlag der Kommission für eine Europäische Garantie für Kinder angenommen. Ziel ist es, Kindern freien und effektiven Zugang zu wichtigen Leistungen zu gewähren und die Chancengleichheit von Kindern, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind, zu fördern. Darüber hinaus hat die Kommission die Europäische Plattform zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit ins Leben gerufen, die die Mitgliedstaaten, Städte und die Zivilgesellschaft zusammenbringt und das Lernen voneinander erleichtern, die Kenntnis der Faktenlage und die Überwachung verbessern sowie die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Obdachlosigkeit in der gesamten EU stärken soll.
Hintergrund
Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission haben am 17. November 2017 auf dem Sozialgipfel in Göteborg (Schweden) die europäische Säule sozialer Rechte proklamiert. Diese Säule enthält 20 Rechte und Grundsätze als Orientierung für ein starkes soziales Europa im 21. Jahrhundert, das gerecht und inklusiv ist und Chancen für alle bietet.
Anlässlich des Sozialgipfels von Porto am 7. und 8. Mai 2021 konnten die Mitgliedstaaten ihr Engagement und ihre Ziele bekräftigen. Am 7. Mai 2021 verpflichteten sich EU-Partner (EU-Institutionen, Sozialpartner und Organisationen der Zivilgesellschaft) in der gemeinsamen Erklärung von Porto zum sozialen Engagement zu den drei Kernzielen für 2030. Am 8. Mai 2021 nahmen die Staats- und Regierungschefs der EU die Erklärung von Porto zu sozialen Angelegenheiten an. Am 25. Juni 2021 begrüßte der Europäische Rat die EU-Kernziele des Aktionsplans zur europäischen Säule sozialer Rechte im Einklang mit der Erklärung von Porto.
Für die Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte stehen EU-Mittel zur Verfügung, insbesondere aus dem Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+), für Projekte zur Förderung der sozialen Inklusion, zur Armutsbekämpfung und für Investitionen in Menschen, sowie aus anderen kohäsionspolitischen Fonds, aus der Aufbau- und Resilienzfazilität und aus InvestEU.
Das Europäische Forum für Beschäftigung und soziale Rechte ist die jährliche Leuchtturmveranstaltung der Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration (GD EMPL) der Kommission. Es findet in diesem Jahr zum ersten Mal statt und bietet die Gelegenheit, den fünften Jahrestag der europäischen Säule sozialer Rechte zu begehen.
Weitere Informationen
Europäische Säule sozialer Rechte
Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte
Europäisches Forum für Beschäftigung und soziale Rechte
Factsheet: Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte
Quote(s)
Fünf Jahre nach ihrer Entstehung ist die Säule nun der Goldstandard für soziale Rechte. Als die Führungsspitzen der EU, die Sozialpartner und die Zivilgesellschaft auf dem Sozialgipfel in Porto zusammenkamen, um unseren Plan für die Umsetzung der Grundsätze der Säule in die Tat zu billigen, war dies ein entscheidender Moment. Die Arbeit ist allerdings noch lange nicht getan: wir werden uns auch weiterhin für ein inklusiveres und gerechteres Europa mit mehr Chancen, insbesondere für die nächste Generation, einsetzen.
Nicolas Schmit, Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte - 17/11/2022
Einzelheiten
- Datum der Veröffentlichung
- 17. November 2022
- Autor
- Vertretung in Luxembourg