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Vertretung in Luxemburg
Presseartikel25. Januar 2023Vertretung in LuxembourgLesedauer: 7 Min

Kommission stellt konkrete Maßnahmen für eine stärkere Einbeziehung der Sozialpartner auf Ebene der Mitgliedstaaten und der EU vor

Corporate and office relations

Die Kommission präsentiert heute eine Initiative zur weiteren Stärkung und Förderung des sozialen Dialogs mit konkreten Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten und der EU. Darin zeigt sich unser starkes Engagement für den sozialen Dialog als Eckpfeiler der sozialen Marktwirtschaft und der Wettbewerbsfähigkeit der EU. Die Initiative zielt darauf ab, vor dem Hintergrund des Übergangs zu einer digitalen und klimaneutralen Wirtschaft und der Entstehung neuer Beschäftigungsformen die Anpassung des sozialen Dialogs an die sich wandelnde Arbeitswelt und neue Trends auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

Die Verhandlungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen (also den Sozialpartnern) im Rahmen von sozialem Dialog und Tarifverhandlungen tragen zu besseren Lebens- und Arbeitsbedingungen bei, z. B. in Bezug auf Bezahlung, Arbeitszeit, Jahresurlaub, Elternurlaub, Weiterbildung sowie Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen. Auch bei der Anpassung an die sich wandelnden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sowie bei der Erzielung von Produktivitätszuwächsen, die für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen erforderlich sind, spielt dieser Austausch eine entscheidende Rolle. All dies trägt dazu bei, soziale Gerechtigkeit und Demokratie am Arbeitsplatz zu gewährleisten und den Wohlstand und die Resilienz Europas zu stärken.

Auch in Krisen- oder Umbruchphasen spielen die Sozialpartner eine entscheidende Rolle. So haben sie beispielsweise während der COVID-19-Pandemie dazu beigetragen, rasch Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen am Arbeitsplatz zu organisieren und Kurzarbeitsregelungen einzuführen. Die Sozialpartner beteiligen sich zudem an der Suche nach ausgewogenen Lösungen für die Anpassung des Arbeitsmarkts an das digitale Zeitalter. Auch bei der effizienten Organisation der industriellen Produktion und der Ausstattung der Arbeitskräfte mit ökologischen und digitalen Kompetenzen spielt die enge Zusammenarbeit zwischen der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite eine wichtige Rolle.

Umfang und Qualität der Einbeziehung der Sozialpartner sind von Land zu Land jedoch sehr unterschiedlich. Gleichzeitig gehen die Mitgliederzahlen der Gewerkschaften und der Anteil der Beschäftigten mit tarifvertraglicher Abdeckung auf nationaler Ebene zurück (von EU-weit durchschnittlich rund 66 % im Jahr 2000 auf etwa 56 % im Jahr 2019). Neuere Beschäftigungsformen wie Plattformarbeit und bestimmte Gruppen, wie z. B. junge Menschen, sind ebenfalls tendenziell weniger stark vertreten und in einigen Branchen, wie im Pflegesektor, werden quasi gar keine Tarifverhandlungen geführt.

Vor diesem Hintergrund schlägt die Kommission eine Empfehlung des Rates vor, in der dargelegt wird, wie die EU-Mitgliedstaaten den sozialen Dialog und die Tarifverhandlungen auf nationaler Ebene weiter stärken können. Außerdem legt die Kommission eine Mitteilung zur Stärkung und Förderung des sozialen Dialogs auf EU-Ebene vor. Die Sozialpartner wurden eng in die Ausarbeitung dieser Initiativen einbezogen.

Voraussetzungen schaffen für einen erfolgreichen sozialen Dialog auf nationaler Ebene

Im Vorschlag der Kommission für eine Empfehlung des Rates wird den Mitgliedstaaten empfohlen,

  • die Konsultation der Sozialpartner bei der Konzeption und Umsetzung der Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik gemäß den nationalen Verfahren zu gewährleisten,
  • die Sozialpartner zu ermuntern, neue sowie atypische Beschäftigungsformen zu berücksichtigen und umfassend über die Vorteile des sozialen Dialogs und über bestehende Tarifverträge zu informieren,
  • die Kapazitäten der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen zu stärken, z. B. durch Gewährleistung des Zugangs zu relevanten Informationen und durch Unterstützung durch die nationalen Regierungen.

Die vorgeschlagene Empfehlung des Rates achtet in vollem Umfang die nationalen Traditionen und die Autonomie der Sozialpartner. Sie erlaubt es den Mitgliedstaaten, unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen (eigenen) Situation zu entscheiden, wie diese Ziele am besten erreicht werden können.

Förderung der Einbeziehung der Sozialpartner auf EU-Ebene

Um die Rolle der Sozialpartner bei der Politikgestaltung der EU weiter zu stärken und den sektoralen sozialen Dialog auf EU-Ebene zu intensivieren, schlägt die Kommission eine Reihe von Maßnahmen mit folgenden Zielen vor:

  • Stärkung des europäischen sektoralen sozialen Dialogs durch Modernisierung des entsprechenden Rahmens in enger Zusammenarbeit mit den EU-Sozialpartnern durch eine mögliche Überarbeitung der geltenden Vorschriften
  • Weitere Förderung von Vereinbarungen der Sozialpartner, insbesondere durch administrative Unterstützung und Beratung in Rechtsfragen
  • Stärkung der Einbeziehung der Sozialpartner in die Politikgestaltung der EU, z. B. durch Einholung der Standpunkte der europäischen branchenübergreifenden Sozialpartner zu den politischen Prioritäten der EU im Vorfeld des Arbeitsprogramms der Kommission
  • Effizientere Gestaltung der technischen und finanziellen Unterstützung der Sozialpartner durch die EU; so wird die Kommission beispielsweise in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern ein Forschungsnetzwerk zur Überwachung und Förderung des sozialen Dialogs in der EU einrichten.

Ergänzend dazu ruft die Kommission die Sozialpartner auf, mehr sozialpartnerschaftliche Vereinbarungen auszuhandeln und abzuschließen und die Mitgliederzahlen und die Repräsentativität sowohl der Gewerkschaften als auch der Arbeitgeberverbände zu verbessern.

Die Kommission wird weiterhin den sozialen Dialog auf internationaler Ebene fördern, und zwar durch regelmäßige Kooperation mit der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und anderen Akteuren. Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten auf, die IAO-Übereinkommen auch in Zukunft zu ratifizieren und wirksam umzusetzen.

Nächste Schritte

Die Kommission wird die in der Mitteilung aufgeführten und vorgeschlagenen Maßnahmen auf EU-Ebene in enger Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern weiterverfolgen.

Die Mitgliedstaaten werden den Vorschlag der Kommission für eine Empfehlung des Rates im Hinblick auf seine Annahme durch den Rat erörtern. Nach der Annahme des Vorschlags sind die Mitgliedstaaten aufgerufen, der Kommission eine Reihe von mit den Sozialpartnern abgestimmten Maßnahmen zur Umsetzung der Empfehlung vorzulegen. Die Umsetzung der Maßnahmen wird im Rahmen des Europäischen Semesters überwacht.

Hintergrund

Der soziale Dialog und die Einbeziehung der Beschäftigten bilden einen zentralen Grundsatz der europäischen Säule sozialer Rechte und sind integraler Bestandteil der Erklärung von Porto für soziales Engagement aus dem Jahr 2021. Die Kommission kündigte im Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte an, dass sie eine Initiative zur Unterstützung des sozialen Dialogs auf EU- und nationaler Ebene vorlegen werde, wie auch Kommissionspräsidentin von der Leyen auf dem Dreigliedrigen Sozialgipfel 2022 betonte.

Die Kommission hat diese Initiative unter enger Einbeziehung der Sozialpartner ausgearbeitet und sich mit dem Europäischen Parlament, dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und dem Europäischen Ausschuss der Regionen ausgetauscht. Die Initiative für den sozialen Dialog, die auch in der Mitteilung der Kommission „Konferenz zur Zukunft Europas – Von der Vision zu konkreten Maßnahmen“ vom Juni 2022 erwähnt wird, leistet einen wichtigen Beitrag zu den Folgemaßnahmen zur Konferenz. Die Initiative für den sozialen Dialog trägt auch zum Europäischen Jahr der Kompetenzen 2023 und zum Industrieplan im Rahmen des Grünen Deals bei, da die Sozialpartner eine entscheidende Rolle bei der Förderung von Kompetenzaufbau, Arbeitsmarktübergängen und Wettbewerbsfähigkeit der EU spielen.

Weitere Informationen

Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Stärkung des sozialen Dialogs in der Europäischen Union

Mitteilung über die Stärkung des sozialen Dialogs in der Europäischen Union – Mobilisierung seines vollen Potenzials zur Gestaltung gerechter Übergänge

Fragen und Antworten: Stärkung des sozialen Dialogs

2023 Europäisches Jahr der Kompetenzen

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Zitate

Der soziale Dialog ist für unser künftiges Wirtschaftswachstum und die Widerstandsfähigkeit unserer Volkswirtschaften von entscheidender Bedeutung. Er ist wichtig für die Aufrechterhaltung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen, die Steigerung der Produktivität, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Vermittlung der Kompetenzen, die die Beschäftigten für eine erfolgreiche Bewältigung des ökologischen und digitalen Wandels benötigen. In vielen konkreten Fällen hat der soziale Dialog außerdem dazu beigetragen, die Gestaltung politischer Maßnahmen zu verbessern. Das heutige Paket wird den sozialen Dialog stärken, sodass noch mehr Unternehmen und Beschäftigte in der gesamten Europäischen Union vom wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt profitieren können.

Exekutiv-Vizepräsident Valdis Dombrovskis‚ zuständig für das Ressort „Eine Wirtschaft im Dienste der Menschen“ - 25/01/2023

 

Jeden Tag kommen an vielen Orten in Europa Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter zusammen, um zentrale Aspekte unserer Arbeitsbedingungen wie Entlohnung, Arbeitszeiten sowie Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen zu vereinbaren. Der soziale Dialog gehört zur DNA unserer sozialen Marktwirtschaft( in Europa), aber immer weniger Menschen sind gewerkschaftlich organisiert und in vielen Branchen, wie im Pflegesektor und in der Plattformarbeit, gibt es kaum Tarifverhandlungen. Damit Europa weiterhin wettbewerbsfähig und inklusiv bleibt, brauchen wir einen starken sozialen Dialog und starke Sozialpartner.

Nicolas Schmit, Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte - 25/01/2023

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
25. Januar 2023
Autor
Vertretung in Luxembourg