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Vertretung in Luxemburg
Presseartikel31. März 2022Vertretung in LuxembourgLesedauer: 6 Min

Kommission drängt Mitgliedstaaten zum Handeln gegen „goldene Pässe“ und „goldene Visa“ sowie zu unmittelbaren Schritten im Zusammenhang mit der russischen Invasion der Ukraine

Seventh priority of the Juncker's Commission for EU: An area of Justice and Fundamental Rights

In ihrer heute veröffentlichten Empfehlung fordert die Kommission die Mitgliedstaaten nachdrücklich dazu auf, alle bestehenden Staatsbürgerschaftsregelungen für Investoren umgehend aufzuheben und für die Durchführung strenger Kontrollen zu sorgen, damit die mit Aufenthaltsregelungen für Investoren verbundenen Risiken eingedämmt werden. Immer wieder hat die Kommission ihre ernsten Bedenken hinsichtlich solcher Staatsbürgerschafts- und Aufenthaltsregelungen für Investoren und der damit einhergehenden Risiken geäußert. Die heutige Empfehlung ist Teil des umfassenderen strategischen Ansatzes der Kommission, entschlossene Maßnahmen in Bezug auf diese Regelungen zu ergreifen. Im derzeitigen Kontext der russischen Aggression gegen die Ukraine werden diese Risiken noch einmal besonders deutlich. 

Es ist davon auszugehen, dass einige russische und belarussische Staatsangehörige, gegen die Sanktionen verhängt wurden oder die den Krieg in der Ukraine maßgeblich unterstützen, im Rahmen solcher Regelungen die Unionsbürgerschaft oder einen bevorrechtigten Zugang zur EU, einschließlich des Rechts auf Freizügigkeit im Schengen-Raum, erlangt haben. Um die damit verbundenen unmittelbaren Risiken zu unterbinden, empfiehlt die Kommission den Mitgliedstaaten, zu prüfen, ob russischen und belarussischen Staatsangehörigen, die im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine auf einer EU-Sanktionsliste stehen, die durch einen „goldenen Pass“ verliehene Staatsbürgerschaft aberkannt werden sollte. Ebenso sollten sanktionierten russischen und belarussischen Staatsangehörigen Aufenthaltstitel, die auf der Grundlage von Aufenthaltsregelungen für Investoren erteilt wurden, nach einer Einzelfallprüfung und im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den Grundrechten und dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten unverzüglich entzogen werden. Diese Maßnahme sollte auch russische und belarussische Staatsangehörige betreffen, die den Krieg in der Ukraine maßgeblich unterstützen.

Der für Justiz und Verbraucher zuständige EU-Kommissar Didier Reynders erklärte:

„Unsere europäischen Werte stehen nicht zum Verkauf. Wir sind der Auffassung, dass der Verkauf von Staatsbürgerschaften über sogenannte goldene Pässe nach EU-Recht illegal ist und unsere Sicherheit ernsthaft gefährdet. Er öffnet Tür und Tor für Korruption, Geldwäsche und Steuervermeidung. Alle betroffenen Mitgliedstaaten sollten ihre Staatsbürgerschaftsregelungen für Investoren sofort abschaffen. Darüber hinaus sollten sie erwägen, Personen, gegen die Sanktionen verhängt wurden oder die Putins Krieg maßgeblich unterstützen, bereits gewährte goldene Pässe zu entziehen.“

Ylva Johansson, EU-Kommissarin für Inneres, fügte hinzu:

„Das Recht, sich im Schengen-Raum frei zu bewegen, ist eines unserer wertvollsten Güter. Wir brauchen strenge Kontrollen, damit dieses Recht nicht missbraucht wird. Mit EU-Sanktionen belegten Russen und Belarussen sollten goldene Visa entzogen werden. Mehr denn je müssen wir angesichts der aktuellen Situation verhindern, dass sanktionierte Russen und Belarussen sowie Unterstützer des Angriffskriegs Putins sich ihren Weg in die EU einfach erkaufen können.“

Staatsbürgerschaftsregelungen für Investoren

Wer die Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaats besitzt, ist zugleich auch Unionsbürger. Mit der Unionsbürgerschaft geht automatisch das Recht auf Freizügigkeit, das Recht auf Zugang zum EU-Binnenmarkt sowie das aktive und passive Wahlrecht bei Europa- und Kommunalwahlen einher, und zwar in allen Mitgliedstaaten. Die russische Aggression gegen die Ukraine hat die mit solchen Staatsbürgerschaftsregelungen verbundenen Risiken erneut deutlich gemacht.

In der heutigen Empfehlung ruft die Kommission dazu auf, dass

  • alle Mitgliedstaaten, die noch immer Staatsbürgerschaftsregelungen für Investoren anwenden, diese sofort abschaffen. Solche Regelungen sind nicht mit dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit und der in den EU-Verträgen verankerten Definition der Unionsbürgerschaft vereinbar. Am 20. Oktober 2020 leitete die Kommission Vertragsverletzungsverfahren gegen zwei Mitgliedstaaten wegen ihrer Staatsbürgerschaftsregelungen für Investoren ein. Darüber hinaus forderte sie einen weiteren Mitgliedstaat auf, mit der Abschaffung seiner Regelungen fortzufahren. Zwei Mitgliedstaaten haben ihre Regelungen inzwischen abgeschafft oder sind dabei, dies zu tun;
  • die betroffenen Mitgliedstaaten prüfen, ob russischen und belarussischen Staatsangehörigen, gegen die Sanktionen verhängt wurden oder die den Krieg in der Ukraine maßgeblich unterstützen, die zuvor gewährte Staatsangehörigkeit entzogen werden sollte. Im Zuge dieser Prüfung müssen die betroffenen Mitgliedstaaten die Grundsätze, die vom Gerichtshof der Europäischen Union in Bezug auf den Verlust der Unionsbürgerschaft aufgestellt wurden, berücksichtigen.

Aufenthaltsregelungen für Investoren

Aufenthaltsregelungen für Investoren bergen für die Mitgliedstaaten sowie für die gesamte EU Risiken in Bezug auf Sicherheit, Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Korruption. Die Aggression Russlands gegen die Ukraine hat dies aufs Neue deutlich gemacht.

In der heute abgegebenen Empfehlung fordert die Kommission die Mitgliedstaaten auf,

  • vor der Ausstellung von Aufenthaltstiteln für Investoren strenge Kontrollen festzulegen und durchzuführen: Die Mitgliedstaaten sollten alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass an Investoren gerichtete Aufenthaltsregelungen Risiken in Bezug auf Sicherheit, Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Korruption mit sich bringen. Insbesondere sollten vor der Ausstellung derartiger Aufenthaltstitel Kontrollen in Bezug auf Aufenthaltsbedingungen und Sicherheit festgelegt und vorgenommen werden, und es sollte überprüft werden, ob es sich um einen dauerhaften Wohnsitz handelt;
  • russischen und belarussischen Staatsangehörigen, gegen die im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine EU-Sanktionen verhängt wurden, die auf der Grundlage von Aufenthaltsregelungen für Investoren erlangten Aufenthaltstitel nach entsprechender Prüfung unverzüglich zu entziehen bzw. die Verlängerung dieser Aufenthaltstitel zu verweigern. Diese Maßnahme betrifft auch Personen, die den Krieg in der Ukraine oder andere damit zusammenhängende völkerrechtswidrige Aktivitäten der russischen Regierung oder des Lukaschenka-Regimes maßgeblich unterstützen;
  • die Erteilung von Aufenthaltstiteln für russische und belarussische Staatsangehörige auf der Grundlage von Aufenthaltsregelungen für Investoren auszusetzen.

Alle Maßnahmen sind im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den Grundrechten und dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten durchzuführen.

Nächste Schritte

Die heutige Empfehlung stellt nur eine Komponente des allgemeinen Vorgehens der Kommission gegen Staatsbürgerschafts- und Aufenthaltsregelungen für Investoren dar. Die Kommission kann bei Bedarf zusätzliche Maßnahmen ergreifen.

Es ist Sache der Mitgliedstaaten, die Empfehlung umzusetzen.

Die Kommission fordert die betroffenen Mitgliedstaaten auf, bis Ende Mai über die Umsetzung der heute abgegebenen Empfehlung Bericht zu erstatten und die Kommission anschließend regelmäßig über den Stand der Umsetzung zu unterrichten.

Hintergrund

Staatsbürgerschaftsregelungen für Investoren ermöglichen es einer Person, auf der Grundlage von Zahlungen oder Investitionen eine Staatsangehörigkeit zu erwerben. Aufenthaltsregelungen für Investoren ermöglichen es Drittstaatsangehörigen, als Gegenleistung für Zahlungen oder Investitionen einen Aufenthaltstitel zu erhalten, um in einem EU-Land leben zu können.

Im Jahr 2019 veröffentlichte die Kommission einen Bericht über die von einer Reihe von EU-Mitgliedstaaten angewandten Staatsbürgerschafts- und Aufenthaltsregelungen für Investoren, in dem die bestehenden Praktiken sowie bestimmte Risiken aufgezeigt werden, die solche Regelungen für die EU bergen, insbesondere in Bezug auf Sicherheit, Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Korruption.

Während die Bedingungen für die Erlangung und den Verlust der nationalen Staatsbürgerschaft durch die Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten – unter Wahrung des Unionsrechts – geregelt sind, ist die Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaats die einzige Voraussetzung für die Erlangung der Unionsbürgerschaft und des Zugangs zu den durch die Verträge verliehenen Rechten. Die Kommission hat ihre ernsten Bedenken hinsichtlich der Staatsbürgerschaftsregelungen für Investoren und der damit verbundenen Risiken des Öfteren geäußert und gegen zwei Mitgliedstaaten Vertragsverletzungsverfahren wegen ihrer Staatsbürgerschaftsregelungen für Investoren eingeleitet.

Aufenthaltsregelungen für Investoren, die sich in Bezug auf die gewährten Rechte von den Staatsbürgerschaftsregelungen unterscheiden, stellen für die Mitgliedstaaten und die EU insgesamt ebenfalls ein gleichermaßen ernstes Sicherheitsrisiko dar. Ein gültiger Aufenthaltstitel verleiht einem Drittstaatsangehörigen das Recht, sich in dem betreffenden Mitgliedstaat aufzuhalten, aber auch im Schengen-Raum frei zu reisen. Das EU-Recht regelt zwar die Einreisebedingungen für bestimmte Kategorien von Drittstaatsangehörigen, doch die Erteilung von Aufenthaltstiteln für Investoren ist auf EU-Ebene nicht geregelt und fällt weiterhin in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten.

Die Aufnahme und der Aufenthalt russischer und belarussischer Staatsangehöriger in der EU aus anderen Gründen, zu denen die Aufnahme aus humanitären Gründen oder der internationale Schutz gehören, bleiben von der heute vorgelegten Empfehlung unberührt.

Weitere Informationen 

Empfehlung der Kommission vom 28. März 2022 über Staatsbürgerschaftsregelungen und Aufenthaltsregelungen für Investoren sowie über unmittelbare Schritte im Zusammenhang mit der russischen Invasion der Ukraine 

Bericht der Kommission vom 23. Januar 2019 über Staatsbürgerschaftsregelungen und Aufenthaltsregelungen für Investoren in der Europäischen Union

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
31. März 2022
Autor
Vertretung in Luxembourg