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Vertretung in Luxemburg
Rede11. Juni 2024Vertretung in LuxembourgLesedauer: 4 Min

Eröffnungsrede von Präsidentin von der Leyen bei der Ukraine-Wiederaufbaukonferenz

"Es gilt das gesprochene Wort!"

Bundeskanzler Scholz,

Präsident Selenskyj,

First Lady, verehrte Olena,

Präsidentinnen und Präsidenten,

Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten,

Ministerinnen und Minister,

Exzellenzen,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

seit Beginn der groß angelegten Invasion Russlands in der Ukraine sind fast 900 Tage vergangen. Was auf dem Spiel steht, ist heute so klar wie an Tag eins. Wir wissen, wofür jede der beiden Seiten in diesem Konflikt steht. Russland kämpft, um die Ukraine zu vernichten. Die Ukraine kämpft, um dem Krieg ein Ende zu machen. Russland kämpft für die Vergangenheit. Die Ukraine kämpft für eine bessere Zukunft. Russland zerstört. Die Ukraine verteidigt. Nirgends tritt dieser Kontrast stärker zutage als im umkämpften Charkiw. Vor zwei Jahren drängten die Menschen in Charkiw die russischen Aggressoren zurück. Und seitdem haben sie ihre Stadt nicht nur wiederaufgebaut; sie haben neue Kulturzentren eröffnet; sie haben begonnen, Pläne für eine grünere Stadt zu machen, für eine Stadt, in der traditionelle Industriezweige ebenso wachsen und gedeihen wie innovative Start-ups. Doch schon hagelt es wieder russische Bomben, die Wohnhäuser und Einkaufszentren zum Ziel haben. Putin will diese Stadt vernichten, und mit ihr die Sehnsucht ihrer Bewohnerinnen und Bewohner nach Leben und Freiheit. Deshalb braucht Charkiw, deshalb braucht die Ukraine all unsere Unterstützung. Und das bringt uns hier nach Berlin. Putin muss scheitern. Und die Ukraine muss siegen. Wir müssen der Ukraine dabei helfen, sich aus den Trümmern zu erheben und ihre Zukunft selbst zu gestalten.

Das bedeutet zuallererst, dass wir der Ukraine die Mittel an die Hand geben müssen, um sich zu verteidigen. Bei der Wiederaufbaukonferenz im vergangenen Jahr habe ich gesagt, dass wir die Erlöse aus immobilisierten russischen Vermögenswerten in die Ukraine transferieren sollten. Und genau das passiert jetzt – im Einklang mit dem Völkerrecht und unter Gewährleistung der Stabilität der Finanzmärkte. Rund 1,5 Milliarden EUR aus den Zufallsgewinnen werden ab Juli verfügbar sein: 90% dieser Mittel fließen in die Verteidigung und 10% in den Wiederaufbau. Im Laufe der Woche werden wir beim G7-Gipfel weiter erörtern, wie die Ukraine noch schneller von den Erlösen aus immobilisierten russischen Vermögenswerten profitieren kann. Wir haben immer gesagt, dass Russland für seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden muss. Und jetzt lassen wir Russland dafür zahlen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

der Grundgedanke dieser Konferenz war es stets, über die unmittelbaren Bedürfnisse der Ukraine hinaus einen gangbaren Weg hin zum wirtschaftlichen Wiedererstarken zu ebnen. Im vergangenen Jahr habe ich in London die neue Ukraine-Fazilität im Umfang von 50 Milliarden EUR für planbare Unterstützung bis 2027 vorgestellt. Und die Mitgliedstaaten haben das mitgetragen – auch dank Deines unermüdlichen persönlichen Einsatzes, Olaf. Diese Fazilität ist durch einen soliden Plan für Reformen und Investitionen untermauert. Sie ist bereits in Betrieb. 6 Milliarden EUR haben die Ukraine bereits erreicht. Und hier in Berlin unterzeichnen wir die ersten Vereinbarungen im Umfang von 1,4 Milliarden EUR mit unseren Partnerbanken, um Investitionen der Privatwirtschaft in der Ukraine zu fördern. Wie Du schon sagtest, Olaf, werden wir auch Kapitalbeteiligungen in der Ukraine gezielt unterstützen. Unsere Partnerbanken werden EU-Budgethilfe beantragen können, wenn sie in Beteiligungsfonds investieren, die in der Ukraine aktiv sind. Auf diese Weise helfen wir – die EU – ihnen, die mit Kapitalbeteiligungen verbundenen Risiken abzumildern. Wir wollen, dass ukrainische Unternehmen besseren Zugang zu Finanzmitteln bekommen. Das gilt insbesondere für KMU und Start-ups, denn diese können zur Modernisierung der ukrainischen Wirtschaft beitragen. Beispielsweise in Bereichen wie IT und Digitalisierung, bei erneuerbaren Energien und kritischen Rohstoffen. Wir werden mit einem Pilotprojekt beginnen, um den dringendsten Bedarf zu decken – im Laufe der Zeit können wir es dann ausweiten. Ich weiß, dass die Wirtschaft einen größeren Beitrag zu leisten bereit ist. Und gemeinsam mobilisieren wir genug finanzielle Schlagkraft, um die Ukraine beim Widerstand und bei ihrer Erholung zu unterstützen.

Dazu gehört angesichts der systematischen russischen Angriffe auf das Stromnetz der Ukraine auch die fortgesetzte materielle Unterstützung. Wir haben für die Ukraine bislang fast 500 Millionen EUR für dringende Reparaturen mobilisiert. Darüber hinaus stellen wir 1000 zusätzliche Generatoren für die Notstromerzeugung bereit. Und Tausende Solarpaneele sollen bald in der Ukraine eintreffen. Damit wollen wir zur Dezentralisierung des Stromsystems beitragen und so die Widerstandsfähigkeit stärken.

Heute kann ich auch ankündigen, dass wir der Ukraine bis Ende dieses Monats zusätzliche 1,9 Milliarden EUR aus unserer Ukraine-Fazilität zur Verfügung stellen werden. Grund dafür ist die umfassende Reform- und Investitionsstrategie, die die Ukraine gebilligt hat: der sogenannte Ukraine-Plan. Der Ukraine-Plan umfasst beispielsweise Reformen in den Bereichen Justiz und Korruptionsbekämpfung. Er ist die Grundlage dafür, die Ukraine für Unternehmen und Investoren attraktiv zu machen. Und er führt die Ukraine näher an unsere Europäische Union heran. Die Ukraine hat alle von uns dargelegten Schritte getan. Deshalb glauben wir, dass die EU die Beitrittsgespräche mit der Ukraine bereits Ende dieses Monats aufnehmen sollte.

Präsident Selenskyj, lieber Wolodymyr,

dies ist die erste Konferenz zum Wiederaufbau der Ukraine, die in der Europäischen Union stattfindet. Und genau hierhin gehört auch Ihr Land. Charkiw ist Europa. Die Ukraine ist Europa. Und unsere Union ist Ihr Zuhause.

Slava Ukraini. Es lebe Europa.

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
11. Juni 2024
Autor
Vertretung in Luxembourg